Autor: baeuchle

  • Barcelona

    Ob ich nicht Lust hätte, mit ihm zusammen den Zug nach Barcelona zu nehmen, hat mich ein Freund letzten Frühling gefragt. Dieser hatte mich schon mal, im November 2012, zu einer Bahnfahrt nach Spanien angestiftet, und auch dieses Mal konnte ich nicht widerstehen.

    Unser Ziel war es, am Wäldchestag abends in Barcelona zu sein, weil seine Freundin dort eine Konferenz hatte, die eben Montag und Dienstags ging. Er verbrachte dann noch ein wenig Zeit mit ihr dort, während ich schon wieder auf dem Heimweg war. Nach einigem Hin- und herüberlegen entschieden wir uns dann für eine Route über Paris, Toulouse, (dort übernachten), dann die Pyrenäen rauf und auf französischer Seite wieder runter, und dann mit TGV durch die Pyrenäen bis Barcelona.

    Nun gab es an Pfingstmontag irgendwelche Bauarbeiten zwischen Mannheim und Saarbrücken, sodass der direkte ICE nach Paris nicht fuhr, aber die Umstiege in Mannheim und Karlsruhe haben gut geklappt, sodass wir ohne Probleme bei Strasbourg im TGV über die Grenze nach Frankreich fahren konnten.

    In Paris hatten wir genug Zeit – 1h15′ – um zum Bahnhof Austerlitz zu kommen, wo der InterCity nach Toulouse abfuhr. Dachten wir. Vor Paris standen wir, weil Polizisten im nächsten Bahnhof erstmal der Steinewerfe habhaft werden mussten, etwa 30 Minuten. Zuerst hieß es, dass wir eine Stunde würden warten müssen, doch dann haben die Polizisten, in den deutschen Worten des französchen Schaffners, „ihren Beruf gemacht“ und es ging weiter. Unsere großzügige Umstiegszeit reichte dann am Ende gerade so aus, und wir waren auf dem Weg quer durch Frankreich nach Toulouse. Die Strecke ist anfangs sehr flach – bis Orleans würde man denken, in Ostfriesland zu sein – aber dann wurde es langsam etwas hügeliger. Ohne das Gefühl zu bekommen, dass wir zu langsam waren, hatten wir zwischendurch mal 10 Minuten Verspätung, aber innerhalb der 6 Stunden Fahrt waren wir am Ziel wieder pünktlich. Das Abendessen in Toulouse war phänomenal, das (eine!) (schmale!) Bett nicht so, aber letztlich sind wir frohgemutes in den nächsten Tag gestartet.

    Der nächste Zug leider nicht. Erst mit 25 Minuten Verspätung ging es los, und das bei 19 Minuten Umsteigezeit am nächsten Bahnhof. Oh-oh. Auf einer vielbefahrenen eingleisigen Strecke an einem Werktag (außerhalb von Frankfurt ist der Wäldchestag dies ja nun mal) wuchs die Verspätung auf bis zu 33 Minuten an, um dann kurz vor dem Durchbruch auf die andere Seite der Pyrenäen (bei L’Hospital-pres-l’Andorre) auf einmal sehr klein geworden zu sein. Nun ja, der Anschluss hätte eh gewartet, und dann ging es in der „Pyrenäen-Metro“, mit dem Gelben Zug, in Richtung Mittelmeer. Diese Schmalspurbahn hielt leider lange nicht, was sie versprach; die Trassierung ist wesentlich kurviger, als es vom Gelände her nötig erscheint, nimmt dafür aber alle möglichen Orte mit. Nur keine Fahrgäste – es war doch ziemlich leer.

    Immerhin war das das sechste Jahr in Folge, in dem ich im ersten Halbjahr mit einer Schmalspurbahn gefahren bin, also wenigstens etwas Positives. An einem Unterwegsbahnhof stiegen richtig viele Touristen ein, und wir haben uns schon gewundert, doch nicht lange: Auf einmal wurde die Strecke richtig aufregend, mit Tunnels, Brücken und Kurven und einem erkennbaren Drang nach unten. Kein hin- und her, kein hoch und runter, nein, nur noch runter, wie ich das von einer Gebirgsbahn erwartet habe. So ein Glück.

    Den letzten Abschnitt nach Perpignan gab es dann wieder in Normalspur im flacher und breiter gewordenen Tal, und dann ging es in den TGV – der leider eine Stunde zu spät war. Trotz allem kam er, und weil es ein Doppelstöckiger Zug war, konnten wir recht gut die Landschaft und die untergehende Sonne sehen.

    Die Strecke von Perpignan nach Barcelona hat kurz vor der Pyrenäenquerung (ein 10 Kilometer langer Tunnel) ein Überwerfungsbauwerk, an dem von franzöischem Linksfahren auf spanisches Rechtsfahren gewechselt wird, und schließt dann in Figueres an das normalspurige spanische Hochgeschwindigkeitsnetz an. Nun kommt mal also mit einem Mal umsteigen von Frankfurt bis Madrid. Leider zwingt die Finanzkriseen die Austeritätspolitiker die Spanier und Portugiesen dazu, den Bau der geplanten Schnellfahrstrecke zwischen Madrid und Lissabon, die die Fahrzeit von elf Stunden auf 2½ Stunden verkürzen würde, auf Eis zu legen… Nun, in Barcelona wurden wir also abgeholt, gingen ins Hotel, aßen und schliefen.

    Mein Rückweg fing mit einer Strecke an, die ich schon kannte, aber zuletzt im Spätherbst abends gefahren bin. Diesmal konnte ich mehr von der alten Strecke nach Frankreich sehen, und auch von der Mittelmeerstrecke in Frankreich, die über weite Strecken zwischen Binnenseen und dem Mittelmeer verläuft, nachdem sie an der Grenze noch viele kleine, malerische Buchten verbindet. Wegen eines Polizeieinsatzes am Bahnsteig, bei dem die beteiligten Polizisten nicht direkt konfliktvermeidend aufgetreten sind, habe ich dann tatsächlich einen Anschluss verpasst, fand aber noch ohne Probleme nach Lyon, wo das nächste Bett wartete. Nicht aber, bevor ich nicht die kulinarische Empfehlung einer Bekannten aus Lyon ausprobiert und für gut befunden habe.

    Aufgrund anderer Verpflichtungen war mein Ziel allerdings nicht Frankfurt, sondern zunächst Bonn bzw. Bad Honnef, wo das alljährliche Stipendiatentreffen der Telekomstiftung am Donnerstag und Freitag stattfand, und dann Herford. Ich setzte mich daher in den TGV nach Metz, der „quer durch“ statt über Paris fährt. Leider verlief mal wieder nicht alles glatt, und da ich leider nur Bruchstücke von Französisch verstehe, fragte ich beim Zugpersonal, ob mein Anschluss nach Luxembourg in Metz gefährdet sei. „Metz? No, no, Metz ok!“ war die Antwort; ok, dachte ich mir, ist ja noch ein Weilchen hin bis dort. In Nancy wendet der TGV, dafür braucht er jedes mal sieben Minuten (ich habe mittlerweile einen Triebfahrzeugführer mit Ausbildung auf den TGVs gefragt, der mir bestätigt hat, dass das nicht schneller geht). In Metz waren wir dann leider so spät, dass ich den nächsten Zug nicht erreicht habe und schließlich in Luxembourg eine Stunde später nach Koblenz gefahren bin, ergo eine Stunde zu spät in Bad Honnef war.

    Ok, passiert, nur eines hat mich wirklich geärgert: Der Zug, den ich in Nancy auf dem Nebengleis habe ausfahren sehen, und in den ich dort locker hätte umsteigen können, war genau der, den ich in Metz dann nicht mehr erreicht hatte. Hätte der Schaffner mir also eine bessere Auskunft geben können – oder wollen – wäre ich pünktlich gewesen.

    Nun ja, am Freitag ging es dann nach einem Besuch im ehemaligen Bundeskanzleramt, heute Entwicklungshilfeministerium, mit einem Nordrheinwestfalenticket weiter nach Herford. Hier war leider auch alles verspätet, sodass ich nicht meine schöne Planung mit den Querverbindungen Düsseldorf-Wuppertal und Wuppertal-Essen abfahren, sondern bin recht direkt nach Herford gefahren.

    Bilder gibt es in einem eigenen Post.

  • Neues Blog!

    Ich will mal wieder öfter bloggen. Mein selbstgebasteltes Perl-Script will ich aber nicht mehr benutzen, sondern etwas moderneres. Auch wenn ich eine tiefe Abneigung gegen PHP verspüre, habe ich mich für WordPress entschieden.

    Dadurch kann ich grade das erste Mal einen Eintrag auf meinen Handy tippen. Das ist immerhin etwas.

    Ich werde versuchen, die Inhalte meines alten Blogs hier zu importieren und hoffe, dass das in endlicher Zeit machbar ist.

    Update, 28. Februar: Jetzt ist fast alles hierher migriert; nur wenige Posts, die sich vor allem um das alte Blog und dessen Eigenschaften drehen, habe ich hier nicht eingefügt. Bei den alten Posts habe ich mich bemüht, die Original-Quelle am Anfang zu verlinken. Die Uhrzeiten der Posts weiß ich erst seit etwa 2009; davor sind sie nicht aussagekräftig.

  • Andere Welt

    Original-Post

    Nachdem ich fertig gefastet hatte, ging es wie angekündigt nach Afrika, genauer gesagt in das kleine Malaŵi, in dem meine Schwester schon so oft und eben grade auch mal wieder beruflich weilte. Wie schon der letztjährige Urlaub ging es mit der ganzen Familie los; zwei Wochen Malaŵi, und dann noch eine Woche Safari im South Luangwa National Park in Zambia.

    Ich könnte wahrscheinlich über jeden Tag, den wir dort verbracht haben, einen ganzen, langen Artikel schreiben, aber ich bemühe mich, es hier kurz zu halten. Die Erfahrung war einfach unglaublich intensiv. Malaŵi ist wesentlich grüner, als ich es erwartete hatte (aber es war auch am Ende der Regenzeit), die Menschen fast ohne Ausnahme nett und liebenswürdig und überhaupt nicht aufdringlich. Einer der Reiseführer hat Malaŵi als „Afrika für Einsteiger“ betitelt, das trifft es ziemlich gut.

    Wir waren mit dem Pajero des Dino- und Frühmenschenmuseum Karonga unterwegs, was die Stopps an Polizeikontrollen recht unterhaltsam gestaltete: ein Polizist erzählte freudig davon, dass seine Frau aus Karonga komme, ein anderer fragte scherzhaft, ob wir denn das Museum sein (und die Antwort, dass wir das Weißen-Museum seien, amüsierte ihn dann noch mehr).

    Die Wärme habe selbst ich erstaunlich gut weggesteckt; ein wenig wandern war auch möglich, und es bleiben wenig große Erlebnisse, aber dafür um so mehr kleine, witzige, interessante, andere Geschichten, die aufzuschreiben ich ein wenig zu faul bin. Es bleibt der Wahnsinn, dass die Sonne um 5:45 Uhr aufgeht und es um 19 Uhr abends stockdunkel ist, und dass man sich nach einem Tag daran so gewöhnt hat, dass es einem gar nicht mehr auffällt, wie früh man eigentlich aufsteht – und dass es eigentlich merkwürdig ist, schon um 20 Uhr zu sagen, man müsse jetzt mal langsam ins Bett gehen.

    Und es bleiben etwa viereinhalb Tausend Bilder (knapp die Hälfte davon von den 16 Stunden Safari-Fahrten am Ende, und lange nicht alle aufhebenswert, natürlich), von denen ich eine Auswahl hier bald hinzufügen werden.

    Update, Februar 2016: Bilder aus Malawi und von der Safari gibt es jetzt auch.

  • Verrückte Reisen um die Welt

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    Nun ist die Bibel endlich fertig gelesen und zu „sonstige Fantasy“ einsortiert worden, und ich konnte endlich mal was anderes lesen. Als erstes ein Buch, dass ich mir ziemlich zeitgleich mit der Bibel auf den Reader geladen habe, aber nicht gleichzeitig lesen konnte:

    Gulliver’s Reisen

    Ja, kennt man irgendwie, oder? Lilliputaner und Riesen. Was ich nicht kannte, und auch nicht erwartet hatte, war die starke Gesellschaftskritik. Die Story besteht aus vier Reisen: Gulliver ist schiffbrüchig und landet auf einer von zwei nahe beieinanderliegenden Inseln, die von kleinen Leuten bewohnt werden, die etwa ein zwölftel seiner Höhe haben. Er wird erst gefesselt, erkämpft sich das Vertrauen des Königs und hilft bei dessen Krieg mit dem König der anderen Insel. Er fällt in Ungnade, flieht auf die andere Insel, von dort haut er Richtung England ab.

    Er reist wieder, strandet wieder an einem unbekannten Strand, und stellt fest, dass hier Riesen leben. Diese sind 12 mal so groß wie er. Auch hier kommt er bald zu der Königsfamilie; wird aber bei einem Ausflug in seinem portablen Zimmer von einem Vogel mitgenommen und ins Meer fallen gelassen, wo er von Seefahrern gefunden wird.

    Abermals reist er, diesmal als Kapitän; seine Crew meutert und setzt ihn aus. Er landet bei einem Volk, dass auf einer durch magnetische Levitation schwebenden Insel lebt und das Geometrie und Effizienz liebt. Die Insel ist eine mächtige Waffe – man kann Städte, die keinen Tribut zahlen wollen, einfach zerquetschen – aber eine, die man nicht anwenden will, denn niemand weiß, wieviel Schaden die Insel selbst näme. Gulliver reist hier „legal“ aus und gibt sich als Holländer aus, um über Japan nach Europa zurückzukommen (Engländer dürfen nicht nach Japan). Zwischendurch kommt er bei Zauberern vorbei, die jede beliebige Person aus der Weltgeschichte für einen Tag (oder so) heraufbeschwören können.

    Zu guter letzt kommt Gulliver in ein Land, in dem Pferde intelligent sind und reden können und die Menschen dumme Kreaturen, die von allen anderen Tiere gemieden werden. Der sprechende Gulliver freundet sich mit den Pferden an, aber als klar wird, dass er eigentlich einer der Menschen ist, muss er zuletzt fliehen und kommt wieder nach England, diesmal für immer.

    Auf seinen Reisen macht Gulliver eine Wandlung durch, vom ehernen Verfechter und Verteidiger der Europäer und vor allem der Britten, zu jemandem, der alle Menschen hasst und sich nur mühsam in die Gesellschaft wiedereingliederen kann. An jeder Station kommt er an sehr merkwürdigen Regeln vorbei, denen er die Britischen Regeln entgegenhält, nicht immer zum Vorteil der Europäer: Die kleinen Menschen haben einen religiösen Krieg darüber, auf welcher Seite man das Ei aufschlagen muss. Sie berufen sich auf den gleichen heiligen Text, der sagt, man solle das Ei auf der „praktischen“ Seite aufschlagen. Die einen sagen nun, das sei die Seite, auf der es am leichtesten geht, die anderen sagen, es sei die Seite, bei der man nicht wegen des vor drei Generationen erlassenen Gesetzes getötet wird. Jonathan Swift lässt seine Hauptperson in Begeisterung von vielen gesellschaftlichen Schieflagen in England berichten und überlässt dessen Gesprächspartner, zu erklären, warum das dargestellte nicht gut, und schon gar nicht das bestmögliche System ist, sondern eigentlich ein sehr korruptes und korrumpierbares System. Gulliver versteht natürlich überhaupt nicht die Argumente und gibt sie nur wieder, ohne sie sich zu eigen zu machen – das überlässt Swift dann dem Leser.

    In der letzten Episode, bei den Pferden, lässt er aber diese Hülle fallen und kritisiert unumwunden die Menschen, die er den noblen Pferden gegenüberstellt und für in allen Belangen minderwertig hält. Letztlich entsteht seine Vertreibung aus dem Land der Pferde allerdings aus vollkommen rationalen Argumenten, nobel gegeneinander abgewägt und vollkommen ignorierend, dass sie auf Gulliver eigentlich nicht zutreffen. Komplett positiv bleibt diese Gesellschaft dann eben auch nicht.

    Guns, Germs and Steel

    Der deutsche Titel „Arm und reich“ tut diesem Sachbuch von Jared Diamond nur sehr bedingt recht; letztlich geht es nicht so sehr darum, warum ein Teil der Welt reich und ein anderer arm ist, sondern vielmehr darum, wieso die Europäer es geschafft haben, Nordamerika, Südamerika, Australien und Südafrika zu überrennen und warum sie es mit China und Afrika nicht oder nur bedingt geschafft haben.

    Die direkten Gründe sind schnell aufgezählt: Die Europäer hatten Stahl für Rüstungen und Waffen, Schrift, die den Kriegern das taktische Wissen von 1500 Jahre alten (und älteren) anderen Kriegern verlässlich übermitteln konnte, und Krankheiten, denen wesentlich mehr Eingeborene in Süd- und Nordamerika und Australien zum Opfer fielen als den kriegerischen Handlungen der Europäischen Armeen. Oh, und Europa hatte eben die Schiffe, mit denen die Ozeane überquert werden konnten und die Pferde, mit denen die Kriegsführung noch viel überlegener wurde.

    Doch Diamond versucht, zu begründen, warum es grade die Europäer waren, die diese Vorteile entwickelt hatten, und nicht die Azteken, Mayas oder Bantu. Diamond benötigt dafür keinerlei Biologistische Erklärung, er sucht also den Unterschied zwischen den Völkern nicht in genetischen Unterschieden, für die es weder empirische Beweise noch andere Argumente gäbe, und sucht vielmehr geografische Gegebenheiten, die es den Europäern ermöglicht haben, all diese Dinge zu entwickeln und den Rest der Welt hinter sich zu lassen (beziehungsweise unter sich aufzuteilen).

    Ein starkes Argument dafür, dass die Geographie eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Menschengruppen spielt, nimmt er aus Polynesien, wo die Besiedlung von Inseln und Inselgruppen (vor dem Auftreten der Europäer) viel schneller zu einer Diversifizierung der Lebensumstände geführt haben, als genetische Veränderungen auftauchen können: Auf den Inseln, die es möglich machen, wurde Argrarwirtschaft ausgeführt, es haben sich straffe Bürokratien, Staaten und schließlich auch (Proto-)Imperien entwickelt, während an anderen Stellen die ursprünglichen Bauern wieder zu Jägern und Sammlern wurden.

    Der große Vorteil der Europäer war zunächst, dass sie so nahe am Nahen Osten wohnen, denn die meisten unserer Errungenschaften stammen von dort: Metallurgie, Schrift, Staatswesen. Der Nahe Osten hat den Vorteil, dass hier Gräser vorkommen, die mit sehr kleinen genetischen Veränderungen domestiziert wurden, und so heute die Kohlenhydrat-Grundlage für praktisch alle Gesellschaften außerhalb der Tropen bilden: Weizen und Gerste. Zusätzlich gab es in Eurasien recht viele große domestizierbare Säugetiere – und es müssen viele gute Faktoren zusammenkommen, damit Tiere gezähmt und gezüchtet werden können. Pech für die Amerikas und Australien war, dass der (biologisch) moderne Mensch dort erst ankam, als er schon gute und effiziente Jagdtechniken entwickelt hatte, und die lokale Fauna leicht ausrotten konnte. In Afrika und Eurasien hat es eine Ko-Evolution gegeben, sodass genügend Tiere übrig blieben, aus denen die passendsten ausgewählt werden konnten, als die Menschheit so weit war, eine Verwendung für Nutztiere zu haben.

    Ein letzter Punkt ist die Ausrichtung der Kontinente. Die orientalischen Errungenschaften konnten sich leicht in Ost-West-Richtung ausbreiten, denn das Klima verändert sich nicht genug, um eine Nutzpflanze oder ein Nutztier nicht mitnehmen zu können. Pferde konnten nie in der Sahel-Zone oder südlich davon etabliert werden, und genausowenig Kühe und Schweine. Erfindungen an einer Stelle in Eurasien konnten sich aber letztendlich immer in ganz Eurasien ausbreiten, und so kamen Hühner aus Asien nach Westen und Kühe aus Indien nach Osten, die Schrift breitete sich wahrscheinlich vom Nahen Osten aus und Pferde breiteten sich von der Ukraine über den ganzen Kontinent aus. Die gleiche Ausbreitung ist in den Amerikas unmöglich: Pflanzen, die in Mexiko angebaut wurden, konnten erst viel später den Sprung über die Wüsten Nordamerikas in die fruchtbaren Ebenen des Mississippis und nie den Sprung nach Süden schaffen, denn auf dem Weg konnte man sie nicht gebrauchen. Ähnliche Barrieren verhinderten auch, dass es Weizen nach Südafrika oder Australien geschafft hätte (wo es heute angebaut wird) – erst die moderne europäische Schifffahrt hat diese Sprünge möglich gemacht.

    Nicht zu unterschlagen dabei ist, dass Mais, das Uramerikanische Getreide, wesentlich weiter von seinen wilden Vorfahren weg ist und es daher wesentlich länger gedauert hat, bis Mais domestiziert war – man muss bedenken, dass sich nie ein Jäger oder Sammler hingesetzt hat und überlegt hat, dass er jetzt mal das Jagen sein lässt und statt dessen versucht, für seine Nachkommen dieses Gras zu einer nutzbaren Pflanze zu machen.

    Unterm Strich ist Guns, Germs and Steel ein nicht brilliant geschriebenes, aber sehr gut und schlüssig argumentierendes Buch, dass den Ist-Zustand der Welt betrachtet, analysiert und Gründe sucht und findet. Dabei macht Diamond nie den Eindruck, dass er den Ist-Zustand rechtfertigen will; im Gegenteil sagt er sehr explizit, dass es keine Grundlage für die Diskriminierung von Aboriginees, Native Americans und Afrikanern gibt. Diese haben einfach nicht das Glück, Nachfahren von Menschen zu sein, die in ihrer Nähe ein solch (ideen-)fruchtbares Gebiet wie den Nahen Osten zu haben, aber das sagt nichts über die heutigen Menschen aus.

    Stolz und Vorurteil

    Noch so ein Klassiker aus dem 19. Jahrhundert, von einer Frau über Frauen geschrieben. Hauptperson ist eine junge Frau mit eigenem Kopf, die mit ihrer älteren Schwester und ihrem Vater ein Gegengewicht zu ihrer albernen Mutter und den drei kleineren Schwestern bildet. Achtung, Spoiler: Am Ende heiraten drei Töchter; die beiden älteren kriegen ihre reichen Traumprinzen, wobei sich der Stolz des einen im Laufe des Buches wandelt; Stolz ist auch seine Familie, und die Vorurteile auf beiden Seiten spielen eine große Rolle, die sich aber letztlich als der Liebe nicht hinderlich erweisen.

    Aktuell ist auf meinem Reader Krieg und Frieden von Tolstoj geladen, aber das zu lesen habe ich noch nicht angefangen.

  • Heißhunger

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    Vorneweg sei ein Disclaimer erlaubt: Ich will niemanden bekehren. Ich finde Tierschutz zwar wichtig, habe aber kein ethisches Problem damit, Tiere für die menschliche Ernährung zu halten und gebrauchen. Genausowenig ist mein Motiv religiös; genauso, wie ich Weihnachten und Ostern feiere, übernehme ich auch hier ein Ritual aus dem Kanon des Christentums. (Und bin mir auch bewusst, dass die Fastenzeit im Gegensatz zu Weihnachten und Ostern auch wirklich nicht heidnische oder astronomische Ursprünge hat.) Bei dem, was ich hier beschreibe, ging es um mich und meine Neugier.

    Dieses Jahr wollte ich die Fastenzeit nach meinen Experimenten mit vegetarischem Essen in den letzten drei Jahren mal mit veganem Essen probieren. Dabei ging es mir vor allem um das Ausprobieren; wie gut würde das gehen? Wie gut würde es mir damit gehen? Welche Alternativen gibt es denn zu Käse etc.?

    Zu Hause habe ich Unterstützung, und zu Weihnachten habe ich zwei vegane Kochbücher geschenkt bekommen. Interessante Sache, das. Eines erzählt etwas von der Angst der Tiere, die man mitisst, und von Schmetterlingen, die sich einem Veganer im Wald auf den Kopf setzen würden, das andere erzählt einfach davon, dass Massentierhaltung nicht schön ist und die Autorin einfach mal nach einer Alternative geguckt hat. Letztere wird dafür kritisiert, dass sie „Vegan aus falschen Gründen“ sei. Oh mann.

    So habe ich also sehr viel ausprobieren und experimentieren können, mit gemischtem Ergebnis: Milchersatzprodukte haben mich durch die Bank weg sehr wenig überzeugt. Die meisten „Milch“s sind gesüßt, egal ob Hafermilch, Mandelmilch oder Sojamilch, und das mag ich eher nicht. Quark und Joghurt gehen besser, überzeugen mich aber auch nicht. Vegane grüne Soße? I don’t think so. Käse habe ich in einer veganen Variante probiert, dieses vorwiegend aus Kokosfett bestehende Ding hat mich dann aber so angewidert, dass der Rest im Mülleimer gelandet ist. Für Eier (beim Backen) scheint Kichererbsenmehl ein guter Ersatz zu sein, aber viel gebacken habe ich nicht, und für Pfannkuchen fand ich die Sojamilch zu Süß, sodass es sehr wenig gibt, wo ich einen Eiersatz gebrauchen könnte.

    Tofu hatte ich vor drei Jahren bei meinem ersten vegetarischen Experiment noch sehr kategorisch ausgeschlossen, vor zwei Jahren hatte sich das schon langsam verbessert; Vegan kommt man da kaum drum herum. Also, neue Chance. Das Soja-Schnitzel ist für mich immernoch keine gute Vorstellung, aber Soja-Hack finde ich lecker, und in Soja-„Fisch“-Stäbchen konnte ich sogar gut in Tofu reinbeißen. Ansonsten gibt es natürlich sehr viel Gemüse und Pilze; Suppen und Eintöpfe bieten die Möglichkeit für sehr abwechslungsreiche Gerichte. Besonders schön fand ich die Idee einer Polenta-Pizza; Polenta mit Gemüsebrühe kochen, in ein Backblech, Tomatenmark darauf (im „Teig“ ist schon genug Gewürz) und dann belegen.

    Für Brot und Brötchen gibt es mittlerweile recht viele und sehr verschiedene vegane Aufstriche; die habe ich schon länger sporadisch gegessen und auch durchprobiert, jetzt ein wenig genauer unter die Lupe genommen. Viele sind lecker, manche würde ich nicht ein zweites Mal kaufen und bei wenigen habe ich mich dann schon über den ersten Kauf geärgert. Die Negativliste führt für mich eine Vegane Teewurst an. Schauder.

    Und nun nehme ich sogar ab. Das tut mir zwar nicht unbedingt schlecht, wenn ich aber Mittags auf einmal fünf Brötchen und eine ganze Packung Chips (oh, übrigens, interessante Beobachtung: die billigen sind vegan, bei den teuren ist sehr häufig Milchpulver drin — WTF?) esse, weil ich so viel Hunger habe, ist das nicht unbedingt gut. Satt werden – nachhaltig satt werden – scheint mir mit veganer Ernährung wesentlich schwerer zu fallen als vegetarisch. (Oder vielleicht fahre ich zu viel Rad momentan: dieses Jahr schon etwa 700 Kilometer!)

    Vegan bedeutet also eine Umstellung und Umgewöhnung, aber das war ja zu erwarten. Und sonst? Eigentlich nichts. Schmetterlinge haben sich noch nicht auf mich gesetzt, ich kann nicht besser oder schlechter schlafen, meine Haut hat sich nicht verbessert, ich fühle mich nicht fitter als sonst (ich versuche, jahreszeitliche Schwankungen herauszurechnen), aber meine Vorfreude auf die erste Grüne Soße (wie gesagt, nicht vegan!) wächst.

    Wann ich genau mit vegan aufhöre, ist noch nicht ganz klar, weil ich an Karfreitag nach Afrika fliege und ich die Umstellung auf „normales“ Essen gerne von der Umstellung auf sicherlich andere Ernährung in Malaŵi trennen möchte, auch um zu wissen, woher letztendlich mögliche Verdauungsprobleme kommen. Eine Woche vor Ostern, also jetzt in einer Woche, wird wohl eine gute Wahl sein. Bis dahin sind dann auch die Brotaufstriche alle 🙂

  • Jobsuche

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    Am 30. Juni 2014 war mein Vertrag am FIAS, einem Forschungsinstitut „neben“ der Uni Frankfurt, ausgelaufen. Die Gründe, warum ich nicht verlängern wollte, sind zahlreich; ein wichtiger Grund ist, dass ich nicht in 10 Jahren in der Physik nicht mehr weiterkomme und dann nichts anderes als Lehrer werden kann, weil niemand in der freien Wirtschaft jemanden einstellen wird, der mit 40 immernoch nie irgendwas außerhalb des universitären Umfeld gearbeitet hat. Und, ich bin mir sehr sicher, dieser Tag wäre gekommen. Also lieber freiwillig gehen, solange ich noch einen Job wählen kann, als irgendwann perspektivlos zu sein.

    Anyways, ich brauchte also einen neuen Job. Im April mit Bewerbungen anzufangen hat sich im nachhinein als etwas optimistisch herausgestellt; ich habe letztlich doch viele Absagen bekommen. Mein eigentlicher Wunscharbeitgeber sagte mir ebenso ab wie andere Firmen in der gleichen Branche – trotz keiner Vorbildung dafür wollte ich mich in der Logistikbranche bewerben. Und, natürlich, musste ich mich auch arbeitssuchend melden.

    Die Agentur für Arbeit hat extra Sachbearbeiter für Akademiker. Bei meinem ersten Gespräch hat sich jedoch herausgestellt, dass die Dame, die für mich zuständig war, sich nicht wirklich mit der Arbeitsmarktsituation für Physiker (oder überhaupt Naturwissenschaftler) auskennt, und dass sie mich auch auf keinen Fall zu einem nicht-Physiker-Job vermitteln kann – ich habe ja keine Referenzen zu Verkehr, wie kann ich also denken, dass ich da hingehen könnte?

    Sie vermittelte mich dann auf zwei Stellen bei der GSI, von denen ich direkt wusste, dass die mich nicht suchen, aber eine Bewerbung musste ich dann noch schreiben. Die GSI ist eine der Firmen, von denen ich erst nach recht langer Zeit eine Absage bekommen habe. Keine Überraschung (es gibt diesen schönen Witz bei uns: „Wie viele Leute arbeiten bei der GSI?“ – „so etwa die Hälfte!“). Lustig war auch die Bundesbank, die mir erst schrieben, dass ich nicht der beste Kandidat bin, aber zur Not würden sie sich’s nochmal überlegen. Später kam dann die endgültige Absage.

    Eine private Berufsschule in Darmstadt hat mich dann zu einem Berwebungsgespräch eingeladen, und das etwa 3 Stunden nachdem ich meine Bewerbung abgeschickt habe. Einen Tag nach dem Gespräch hatte ich ein Angebot, das ich aber letztlich ablehnte – die Aussicht, als einiziger Physiklehrer etwa 20 Klassen á 1 Stunde zu haben, hat mich dann doch abgeschreckt (und die Tatsache, dass ich wie ein Lehrer ohne erstes Staatsexamen eingestellt worden wäre, ohne die Möglichkeit, das Staatsexamen nachzuholen). Außerdem ging mir das alles ein bisschen schnell – hätte ich eine Woche Zeit gehabt, wäre das was anderes gewesen, aber die brauchten dringend eine Antwort, denn eine Woche später ging das Schuljahr schon los.

    Zu ungefähr der gleichen Zeit hatte ich dann ein Bewerbungsgespräch bei meinem Wunscharbeitgeber, nennen wir ihn WA. Ich hatte mich dort auf mehrere Stellen beworben; die Einladung sagte überhaupt nichts darüber aus, zu welcher Stelle dies nun gehört. Dementsprechend habe ich mich durch das erste Gespräch etwas durchlaviert und habe das schon abgeschrieben. Große Überraschung dann, als mit zweiwöchiger Verspätung dann doch der Anruf kam, dass ich zum Zweitgespräch kommen solle, mit jemandem von einer anderen Abteilung und jemandem von der Personalabteilung. Long story short: Ich konnte nicht davon überzeugen, dass ich diese Stelle wirklich haben will und dass sie auf mich passen würde.

    Vorher hatte ich mit drei Leuten bei WA geredet, wurde sehr freundlich empfangen, aber da WA ein so großes Unternehmen ist, dauern Einstellungsverfahren typischerweise recht lange, und gehen eigentlich nur über deren Stellen-Webseite. Letztlich arbeite ich jetzt nicht bei WA, aber vielleicht ergibt sich ja in Zukunft noch was.

    Obwohl ich es eigentlich gut kann, hatte ich mich überhaupt nicht für eine Arbeit als Programmierer beworben. Das kam mir irgendwie nicht in den Sinn. So war es mehr Zufall, dass ich im Oktober eine auf einen Monat befristete Stelle bekommen habe, in der ich ein kleines Projekt programmieren sollte. Mehr als einen Monat wollte ich erst nicht; die Bewerbung bei WA war noch am Laufen und ich hatte Hoffnung. Außerdem sollte ich auf Windows arbeiten, mit C# (kannte ich bis dahin nicht). Ich sollte eine Android-App programmieren (die Übersetzung von C# zu Java übernimmt dabei Xamarin). Nach der Absage von WA haben wir dann meinen Vertrag auf unbestimmte Zeit verlängert, mit der Abmachung, dass ich ein großes Projekt, das jetzt ansteht, durchführen werde und über die Zeit danach – in etwa einem Jahr – keine Versprechungen mache.

    So arbeite ich jetzt in Steinbach bei der BloomBox GmbH und schreibe Programme für Android und steinalte Windows-CE Versionen. Die Firma ist sehr klein und ich habe sehr nette Kollegen; der kürzeste Weg ist mit dem Fahrrad (morgens hoch, abends runter), und die Bahn/Bus-Tageskarte kostet zur Not 3,70 € (und damit weniger als zwei Einzelfahrkarten zu je 1,90 €). Was will ich mehr?

  • Richter

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    Nun bin ich seit etwa einem Jahr Laienrichter und hatte in diesem Zeitraum 11 Termine, an denen ein Prozess hätte anfangen sollen. Davon wurde ich sieben Mal direkt abgeladen, einmal nach einer Ladung wieder Abgeladen (scheinbar eine Berufungssache, bei der die Berufung dann zurückgezogen wurde), einmal musste ich absagen, weil sich der Termin mit einer anderen Ladung überschnitten hat, und zwei Verhandlungen habe ich tatsächlich erlebt.

    Die erste war gleich auf drei Verhandlungstage angesetzt (der dritte Tag hatte dann auf meinem nächsten Termin gelegen), letztlich war das aber um 15 Uhr des ersten Tages schon erledigt: Der Angeklagte hatte ein Teilgeständnis abgelegt und ihm den Rest nachzuweisen wäre wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Es ging um ein Zollvergehen; die übriggebliebene Schadenssumme war unter einer Millionen Euro, was die drei Berufsrichter als die „Schallgrenze“ für zwei Jahre Haft ansahen, deswegen ist es auf ein Jahr und 9 Monate (und damit auf Bewährung) herausgelaufen.

    Die zweite Verhandlung war dann schon nach eineinhalb Stunden fertig; diesmal ging es um angebliche Unfallflucht; es war eine Berufungsverhandlung nach einer Verurteilung im Amtsgericht. Beide Seiten hatten Berufung eingelegt, und am Ende wusste die Staatsanwältin auch nicht so recht, warum wir da sitzen – Freispruch.

    Was wirklich zeitaufwändig war bisher also noch nichts, auch nicht wirklich aufregend oder extrem spannend. Die anderen Schöffen hatten jeweils meinen Eindruck, dass es momentan nicht so viel zu tun gibt (man wird meistens abgeladen) bestätigt; gut: besser so als andersrum.

    Die Termine für 2015 sind noch nicht da; letztes Jahr kam der Brief kurz vor Weihnachten. Mal sehen, was es noch so gibt…

  • Und noch mehr Fantasy: Das Buch

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    Aktuell habe ich mir ein sehr langes Fantasy-Buch vorgenommen habe, das, ähnlich wie das Simarillion, die Geschichte eines Volkes und dessen Interaktion mit ihrem Gott über mehrere Jahrtausende beschreibt. Leider ist das Buch schlecht redigiert, so dass das Lesen recht anstrengend ist, aber ich habe einen Lese-Führer dafür im Internet gefunden, der diese Mammutaufgabe in 365 kleine und (hoffentlich) abwechslungsreiche Portionen zerlegt. Nach etwa zweieinhalb Monaten Lesezeit hatte ich etwas weniger als die Hälfte geschafft, die letzten beiden Monate bin ich wesentlich langsamer vorangekommen.

    Das Buch ist durch und durch frauenfeindlich. Okay, das ist Folklore meistens, im Allgemeinen. Da gibt es dann aber die Geschichte von einem Feldherren, der von einem von einer Frau geworfenen Stein tödlich verletzt wird, und mit seinen letzten Worten seinen Knecht anflieht, dieser möge ihn doch mit dem Schwert töten, um die Schmach nicht zu haben, von einem Weib umgebracht worden zu sein. Oder, als ein anderer „Held“ dieses Buches in der Fremde bedrängt wird, bietet er denen seine Tochter und seine Mätresse an, damit er unbeschadet aus der ganzen Sache rauskommt.

    Das Buch ist aber auch anstrengend, weil es oft Wiederholungen hat der Art „Ihm wurde gesagt, er solle ABC tun, also tat er ABC, weil ihm gesagt wurde, er solle ABC tun.“ Dieser Satz alleine ist schon schwierig; wenn ABC aber eine seitenlange Arbeitsanweisung ist, wird es wirklich schwierig. Die Fans des Buches scheint es nicht zu stören, ebensowenig, dass auch widersprüchliche Geschichten direkt hintereinander kommen können und trotzdem beide zum Kanon gehören. Da ist zum Beispiel einer der größeren Helden, der vom König verfolgt wird. Nun kommt der König in die Hand des Helden, ohne es zu wissen, der König wird verschont, und der Held ruft ihn an, ihm zu sagen, wie toll er ist, und dass der König doch bitte mal die Verfolgung lassen soll. Der König ist einisichtig und die beiden vertragen sich (wieder). Im nächsten Kapitel wird der Held vom König verfolgt, der König kommt in des Helden Hand, ohne das zu wissen, wird aber verschont. Als der Held dem König klarmacht, dass er ihn hätte töten können, sieht der König ein, dass die Fehde doch nun endlich beiseite gelegt werden sollte.

    Nein, ich habe mich da nicht aus Versehen vertippt. Die beiden Geschichten unterscheiden sich im Setting, aber sonst nicht. Beide gehören zum Kanon, ohne dass es einen Hinweis gibt, dass es zwei Geschichten gibt, oder dass es sich der König anders überlegt hatte, oder was auch immer.

    Und dabei ist noch nicht eingerechnet, dass ein recht prominenter Teil der Geschichte über einen weiteren Helden, zeitlich ganz hinten einzuordnen, in vier Versionen kommt. Die Jugendgeschichte dieses Helden wird dabei zwiemal komplett unterschiedlich und widersprüchlich erzählt; einmal muss seine Familie für Jahre ins Exil, einmal wird er direkt in die Hauptstadt geschickt, um das Establishment aufzurütteln. (In der dritten Version wird die Kindheit nicht erwähnt, und die vierte Version habe ich noch vor mir). Zentrales Thema dieses Helden ist, dass er von einem seiner Helfer verraten und dann von der Obrigkeit, angeblich ohne substantielle Anklage, hingerichtet wird.

    Es ist eine qualvolle Hinrichtungsmethode, sagen wir, er müsse so lange rennen, bis er vor Erschöpfung zusammenbricht und stirbt (die Details sind anders, aber egal). In der Fantasy-Welt, von der das Buch handelt, ist diese Methode aber recht normal. Typischerweise laufen die Verurteilten zwei Tage, bis sie nicht mehr aufgerichtet werden können und tot sind. Unser Held läuft ein paar Stunden und stirbt.

    Der Leichnam wird schnell von allen Augen verborgen durch einen komplett unbeteiligten Wandersmann, der Held taucht wieder auf und alle sind froh. Nur in einer von den vier Versionen dieser Heldengeschichte wird behauptet, dass sich irgendwer die Mühe gemacht hat, nachzuprüfen, ob der Held wirklich tot ist. Ein Schelm, wer dabei böses denkt…

    Das Volk, um das es in dem gesamten Epos geht, wird mir nicht sympathisch. Es ist kriegerisch, der Gott dieser Leute bestraft sie einmal dafür, dass sie nicht (!) alle ihre Feinde inklusive Frauen, Kinder und deren Vieh töteten, sie betrügen (und metzeln nieder) ihre Feinde und ihre Verbündeten, rechtfertigen das dann aber wieder mit Verweis auf ihren Gott, der ja – wie jeder ordentliche Gott – natürlich von sich behauptet, der einzige zu sein. Das ist aber auch ein bisschen inkonsistent, denn manchmal sagt er auch „nur“, er solle als einziger angebeten werden, und die Götter der Feinde sollten nicht angebetet werden. Da wankt dann das Dogma des einen Gottes innerhalb dieser Fantasy-Welt.

    Viele Probleme, die dieses Volk bewältigen muss, haben den Ursprung in seinen eigenen Taten. „Helden“ töten irgendwen, unprovoziert, und daraufhin greift das Volk des Geschädigten dann an. Was natürlich, so die Meinung des Volkes, komplett ungerechtfertigt ist und doch bitteschön von dem Gott daroben niedergeschlagen werden soll.

    Ich könnte noch lange über meine Probleme mit dem Buch schreiben, aber warum lese ich es eigentlich? Wäre es nicht die Grundlage für eine (und, zu großen Teilen, auch noch zwei andere) Weltreligion(en), würde ich mich damit wohl kaum abfinden. Aber langsam verstehe ich, warum die katholische Kirche nie wollte, dass irgendjemand wirklich mal liest, was in der Bibel steht.

  • Träumender Mars und das Epos

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    Die Traumpfade sind mittlerweile ausgelesen; ein Großteil der zweiten Hälfte besteht aus zusammengeworfenen alten Tagebucheinträgen, die alle zeigen sollen, wie sehr die Menschen doch eigentlich Nomaden sind. Erzählt „während“ dem Warten auf Freunde (in der Mantelgeschichte) ist das doch stellenweise leider sehr anstrengend. Trotzdem gutes Buch!

    Der Lange Mars

    Dann gab’s da den langen Mars, eine Fortsetzung der Langen Erde die ich mir, trotzdem ich von den ersten beiden Büchern der Reihe nicht restlos begeistert war, dennoch durchgelesen habe. Wie der Name vermuten lässt, setzt sich die Parallelwelten-Geschichte hier auf dem Mars fort, allerdings sind die Parallelwelten des Mars in anderen Dimensionen als die der Erde. Wo der „Sprung“ ist, wird mir nicht klar, und — ja, ich weiß ja, es ist Fantasy — das hat meinen Lesefluss schon etwas gestört. Dafür geht die Geschichte etwas sinnvoller weiter als in den ersten beiden Büchern, würde also einen vierten Band wohl auch wieder lesen.

    Jane Eyre

    Charlotte Brontë schrieb in den 1840er Jahren diesen Roman über eine eigenwillige und -ständige Frau, die sich nicht gefallen lässt, wenn sie unfair behandelt wird. Am Ende (Achtung, Spoiler!) heiratet sie jedoch den ersten Mann, den sie kennenlernt (sie lässt sich aber vorher noch etwas bitten). Das gibt dem Buch aus meiner Sicht einen etwas faden Beigeschmack, und das Happy End erinnerte mich etwas an Dickens. Trotzdem eine beeindruckende Schilderung einer beeindruckenden Frau.

  • Physik… da war mal was

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    Ich war mal Physiker. In dem Zusammenhang habe ich ein paar Veröffentlichungen geschrieben und Vorträge gehalten. Aktuell bin ich aber Programmierer.

  • Metz – oder so.

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    Mal wieder Bahnfahren. Ende Juni, an dem ich urlaubsbedingt nicht arbeiten musste, eignet sich doch hervorragend dafür! Da gibt es eine Bahnstrecke entlang der Mosel, und zwar oberhalb von Trier, und immerhin vier mal pro Woche (Samstags und Sonntags, jeweils morgens und abends) fährt dort ein Zug von Trier nach Metz. Super, das mache ich mal!

    Am Vortag habe ich abends im Reisezentrum am Frankfurter Hauptbahnhof die Fahrkarten gekauft, um von Frankfurt über Koblenz und Trier nach Metz und zurück über Sarreguemines und Strasbourg zu fahren. Früh morgens also in den IC nach Koblenz, und bei der Ankunft in Trier höre ich dann die Ansage, dass der Zug nach Metz aufgrund des Streikes in Frankreich leider ausfällt. So. Ein. Mist.

    Ich bin also nicht bester Laune ins Reisezentrum gedackelt, um die Fahrkarten zurückzugeben; immerhin war dieser Zug der einzige Grund, wegen dem ich überhaupt hier bin. Während die freundliche Dame am Schalter mir meine Fahrkarten (komplett!) stornierte, fiel mir auf, dass ich eigentlich auch mal die Eifelstrecke befahren wollte, die von Trier nach Köln führt. Als ich vor zwei Jahren den Deutschlandpass hatte, hatte diese Strecke nie irgendwo reingepasst, also entschied ich mich spontan für Köln → SiegenGießen → Frankfurt als Rest meiner Reise.

    Nun hatte ich auf einmal eineinhalb Stunden Zeit in Trier, also machte ich mich auf die Suche nach dem Wahrzeichen der Stadt, und siehe da, Porta Nigra ist recht nahe am Bahnhof.

    Das schwarze Tor in Trier
    Das schwarze Tor in Trier.

    Die Strecke nach Köln ist anfangs sehr waldig, ab Gerolstein wird es dann flacher und feldiger, und schließlich kommt man ins Rheintal. In Köln hatte ich dann auch genügend Zeit, um das dortige Wahrzeichen zu fotografieren; pünktlich zum Fußballspiel der Deutschen gegen Ghana war ich dann auch wieder daheim.

    Der Dom, der ja bitteschön immer in Köln gelassen werden soll.
  • Dystopie, Juwelen und ein Werwolf

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    Es gibt ja doch eine Menge Bücher, von denen man viel hört; man hat eine Vorstellung davon und dadurch auch eine gewisse Erwartungshaltung. Nicht immer ist diese korrekt, siehe meine Kommentare zu Frankenstein. Drei weitere Bücher in dieser Richtung habe ich gelesen: Lord of the Flies, A Clockwork Orange, und Fahrenheit 451.

    Lord of the Flies

    Geschrieben kurz nach dem Krieg, spielt es in der nicht allzu fernen Zukunft; ein Evakuierungsflugzeug mit englischen Jungen zwischen 6 und 12 Jahren stürzt auf einer Pazifikinsel ab. Die Kinder organisieren sich erst, und über 3/4 der Länge berichtet das Buch zwar von Rangeleien und Machtkämpfen, aber nichts, was ich sehr schlimm gefunden hätte. Das letzte Viertel jedoch hat dann Albtraumpotential. Die Ereignisse überschlagen sich, die Kinder brennen die Insel in ihrem Krieg nieder, und werden im letzten Moment gerettet. Dieses Buch hat mich aufgewühlt, und ich bin mir nicht sicher, ob ich das hier von „menschlicher Natur“ nachvollziehen kann – vielleicht kann ich das besser einschätzen, wenn ich mal einen 12-jährigen Sohn hatte.

    A Clockwork Orange

    Was ich vorher dachte: Ein Buch gegen Kommunismus, eine kommunistische Gesellschaft wird gezeichnet, in der die Jugend gerne anderen auf die Fresse schlägt. Die Toten Hosen hatten „Hier kommt Alex“ mit der Zeile ‚zwanzig gegen einen, bis das Blut zum Vorschein kommt‘ versehen, aber Alex und seine Freunde gehen höchstens zu viert auf ihre Opfer los.

    Die Sprache ist ohne Zweifel Slavisch geprägt, und Arbeit wird hoch gehalten, aber Kommunismus sehe ich nicht – es gibt Wahlen, und deren Ergebnisse scheinen sogar wirklich offen zu sein, und es gibt auch Religion. Totalitäter Staat? Ja, von mir aus. Ich würde diese Dystopie aber genauso auch in eine Kapitalistische totalitäre Gesellschaft verorten können. Am Ende wird Alex erwachsen, und das war’s dann. Moral? Weiß ich nicht. Burgess hasst scheinbar die Jugend und alle ihre Auswüchse (wie Elvis Presley und die Beatles). Empfehlenswertes Buch? Ich finde eher nicht.

    Fahrenheit 451

    kommt aus der gleichen Zeit wie die beiden anderen Bücher – Nachkriegszeit – und dreht sich um einen Feuer(wehr)mann, der mit seinen Kollegen verbotene Bücher verbrennt. Er kommt zur Besinnung, flieht aus der Stadt, die kurz darauf von Atombomben zerstört wird. (Dabei hat Amerika schon zwei Atomkriege begonnen und gewonnen, sagen sie vorher.)

    Diese Dystopie ist für mich glaubwürdig und das Buch gut zu lesen (ist aber auch nicht so lang). Nur bin ich mir nicht sicher, was ich von der Prämisse halten soll, warum Bücher verbrannt werden: Der Grund ist die Diversifizierung der Gesellschaft. Immer mehr Minderheiten wollten immer mehr Literatur nicht mehr lesen, und wollten sie – heute würde man sagen „politisch korrekt“ – entschärft oder abgeschafft.

    Die Gesellschaft verdrängt alles, das die Menschen zum Nachdenken bringen könnte, und gibt den Bürgern dafür nur seichte Unterhaltung und oberflächliche Beziehungen. Jugendkriminalität ist immens, wird aber ignoriert. In dieser Beziehung ist Fahrenheit 451 der Dystopie von Brave New World sehr ähnlich, kommt aber ohne diese ganze biologischen Wahnvorstellungen aus. Lesenswert? Aber Hallo!

    Von den Juwelen

    Tolkien ist mir ja immer etwas zu einseitig gewesen: die tollen Elben, die bösen Orks. Trotzdem habe ich mir mal das Simarillion vorgenommen. Im Vorwort gibt es einen Brief Tolkiens an seinen Verleger, in dem steht, dass dies eher eine Sammlung von Geschichten ist, und das auch in der Welt der Geschichte so sein soll – immerhin werden mehrere tausend Jahre behandelt.

    Die Geschichten sind meistens nett, die Elben verlieren eine Menge ihres Glanzes, den sie für mich beim Herrn der Ringe und beim Hobbit hatten. Vieles der Geschichte habe ich durchaus besser verstanden, und vor allem die Hobbit-Trilogie, deren dritter Teil Ende diesen Jahres in die Kinos kommt, verstehe ich besser: Vieles der „zusätzlichen“ Geschichte im Film, die nicht im Buch war, wird im Simarillion tatsächlich explizit so erwähnt. Schöne Überraschung.

    Schwierig war, bei den ganzen Namen den Überblick zu behalten, vor allem, weil so viele Leute und Dinge mehrere Namen haben. Ob ich mir die Verlorenen Geschichten, in denen die Dinge aus dem Simarillion (und den anschließenden Büchern, die zusammengetackert kommen) antuen werde (und wann), weiß ich aber noch nicht. Bei Tolkien brauche ich wohl immer ein bisschen Pause zwischendurch.

    Der Garou

    Mal was ganz anderes zwischendurch (und von Papier gelesen!): Garou.

    Vor sehr langer Zeit, es muss 2007 gewesen sein, las ich Glennkill, eine Geschichte von irischen Schafen, die den Mord an ihrem Schäfer aufklären.

    Nun sind die Schafe mit ihrer neuen Schäferin – die Tochter des alten – über Winter in Frankreich, im Schatten eines Schlosses, wo ein (oder nicht nur einer?) Werwolf – Loup Garou – sein Unwesen treibt.

    Garou ist, wie auch Glennkill vorher, voller Wortwitz und wirklich süß geschrieben. Wenn es einen dritten Teil geben sollte, werde ich den mit Sicherheit auch lesen.

    Traumpfade

    Mal wieder was nicht in der Originalversion: Songlines von Bruce Chatwin gibt es nicht als Kindle-Edition, und die Hardware mit dem deutschen Text liegt hier halt rum. Chatwin berichtet von einer Reise nach Australien, in der er über die Songlines der Vorfahren der Aboriginees lernt. Die Songlines stellen das zentrale Element der Religiösität der Aboriginees dar. Auf dem Weg schweift der Autor immer wieder in andere Teile der Welt ab, in denen er von Nomaden, von Wandertrieb, Fernweh und verwandten Dingen erfahren hatte. Viel nebensächlicher Rassismus wird berichtet, nicht nur seitens der Bauerntölpel, sondern auch von Sherrifs und einfach den Institutionen.

    Dieses Buch habe ich noch nicht durch, es ist ein gemeinschaftliches Leseprojekt, und zu zweit braucht man immer dafür Zeit. Als Mischung aus Sachbuch und Reisebericht ist es aber wirklich sehr unterhaltsam und informativ.

  • Religion, Monster und die Anstalt

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    Vor lauter lesen komme ich kaum dazu, zu schreiben, schon gar nicht darüber, was ich gelesen habe. Dabei ist das schon wieder eine Menge. Soviel, dass ich sogar in meine Amazon-Liste gucken muss, was es eigentlich alles war. Dort finde ich:

    Pratchett

    Dodger ist ähnlich gut weitergegangen, wie ich schon vorhergesehen hatte; es geht sogar noch wesentlich besser weiter. Danach gab es The Science of Discworld IV: Judgement Day, in dem es sehr stark um Kreationismus geht — eine fundamentalistische Omnische Sekte steht hier Pate für die fundamentalen Christen, die der Meinung sind, die Welt wäre intelligent aufgebaut. Selbst die Aussage ihres Gottes, dass die Welt eine Scheibe ist, kann sie nicht überzeugen, dass die Welt keine Kugel sei. Schöner Satz: „der Theologie [der Rundwelt] sind 2851 Götter bekannt. Sie glauben an 2850 Götter nicht, ich glaube nur einen mehr nicht. Das ist kein großer Unterschied.“ Pratchett, Stewart und Cohen sprechen mir sehr aus der Seele.

    Danach ging es wieder „richtig“ auf die Scheibenwelt, Raising Steam führt Dampfloks auf der Scheibenwelt ein, aber ganz ohne Magie funktioniert es eben doch am Ende nicht. Auch hier wird ein alter Konflikt – Krieg zwischen Zwergen und Trollen – wieder aufgeflammt, durch radikale Gruppen bei den Zwergen. Die Feindseligkeiten wurden eigentlich in Thud überwunden, aber mal wieder erinnert Pratchett daran, dass ein in-den-Sonnenuntergang-reiten am Ende einfach selten das Ende ist. Irgendwann ist der Cowboy im nächsten Dorf.

    Das Monster

    Die Rahmenhandlung alleine ist interessant: Ein Engländer beschließt, dass es in der Polarregion im Sommer richtig warm sein muss, weil ja die Sonne immer scheint. Also bricht er zu einer Expedition von St. Petersburg zum Nordpol auf. Dort trifft er auf einen ausgemergelten Mann, der ihm die eigentliche Geschichte erzählt. Er ist auf der Jagd nach dem Feind, eine Kreatur, die er, Frankenstein, in Ingolstadt erschaffen hat, nachdem er das Geheimnis des Lebens entdeckt hatte.

    Er hasst diese Kreatur von dem Moment, an dem er ihr Leben einhaucht, aber mir wurde nie klar, wieso. Die Kreatur flüchtet vor ihm, orientierungslos, versucht Kontakt zu Menschen aufzunehmen, wird aber immer nur verstoßen. Er bringt sich selbst bei, zu lesen, zu reden, und tötet – mit Absicht oder ohne, ist nicht klar – ein Kind. Er konfrontiert seinen Schöpfer, und fleht ihn an, ihm eine Begleiterin zu schaffen, auf dass er nicht mehr einsam sei. Aus Angst lehnt Frankenstein letztlich ab, das Monster rächt sich an seinem ungnädigen Schöpfer, Frankenstein verfolgt ihn, doch kommt schneller an seine Grenzen. Am Ende, auf dem Schiff des Engländers, in dem Frankenstein all dies erzählt, stirbt Frankenstein (nicht durch die Hände des „Monsters“), seine Kreatur kommt, betrachtet ihn. Dem Kapitän sagt er, dass er sich selbst am Nordpol verbrennen würde.

    Ich dachte immer, Frankenstein sei eine Horrorgeschichte über ein böses Monster und einen verrückten Wissenschaftler. Ist es aber nicht. Es ist eine Geschichte darüber, wie die Gesellschaft auf Außenseiter reagiert und wie diese Außenseiter zu Einsamkeit getrieben werden können.

    Eine nach Ost, eine nach West…

    … und eine(r) flog übers Kuckucksnest. Keine Science-Fiction, keine Fantasy: Ein unglaublich beklemmender Einblick in eine Irrenanstalt in Oregon, USA in den 1950er Jahren. Mit, in gewisser Weise, Happy End. Bildungslücke geschlossen mit einer sehr guten Geschichte.

  • Alle Gewalt geht vom Volke aus

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    Ich hatte schon gar nicht mehr daran gedacht, dass ich mich dafür mal freiwillig gemeldet hatte, aber für die Zeit von 2014 bis 2018 bin ich zum Schöffe am Landgericht Frankfurt gewählt worden. Schöffen sind Richter, genauso wie Berufsrichter, und die Legitimation für Schöffen ist, dass alle Staatsgewalt nach Art. 20 (2) GG vom Volke ausgehen soll, auch in der Judikative. Ich werde also in etwa 12 Verfahren pro Jahr recht sprechen, und soweit ich das übersehe, vor allem in Verfahren über Straftaten, für die vier und mehr Jahre Freiheitsvollzug zur Debatte stehen. Bis jetzt war ich nur bei einer Einführungsveranstaltung, bei der mir vor allem eingebläut wurde, nicht zu spät zu kommen, mich abzumelden, wenn ich nicht kann (aber die Hürden dafür sind hoch) und auf keinen Fall irgendwem einen Grund geben, an meiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Inwiefern ich hier was darüber schreiben könne, werde ich dann sehen, jedenfalls freue ich mich schon sehr darauf!

    Zu den ersten beiden Terminen wurde ich allerdings schon abgeladen, das heißt, man braucht mich (noch) nicht. Fängt ja gut an…

  • Schmalspurbahn im Winter, Vol. 5

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    Ich weiß ja auch nicht, wie ich das mache, aber auch 2014 habe ich es geschafft, am Anfang des Jahres an einer Schmalspurbahn zu sein. Dieses Jahr war das verknüpft mit meinen Silvesterplänen – für diese ging es wie schon vor zwei Jahren nach Zürich. Von dort aus folgte ich meiner Meute, die sich in den Kopf gesetzt hatte, noch ‚etwas in den Schnee‘ zu fahren, in die Schweizer Alpen, was mich dann schließlich nach Grindelwald brachte.

    Grindelwald liegt am Ende einer Zahnradbahn von Interlaken auf etwa 1000 Metern Höhe und am Anfang einer anderen Zahnradbahn auf die Kleine Scheidegg (2000 Meter), von wo aus dann die Jungfrauenbahnen durch den Eiger hindurch bis zum Jungfraujoch fährt (ca. 3500 Meter). In dieser Gegend also gingen wir erst zu acht Schneeschuhwandern, dann zu viert Schlitteln (während die anderen vier Skifahren waren) und dann nochmal beides zu viert.

    Auch wenn es nicht wahnsinnig kalt war (2 Grad auf 2000 Metern Höhe), war es doch ein guter Testlauf für meine neue Winterkleidung, die ich dann später in Norwegen ausprobieren wollte, und überhaupt der erste Schneeurlaub seit ich mich erinnern kann. Schlittenfahren war bisher für mich höchstens vom Feldberg zum Sandplacken, immer am Weg entlang, und alle drei Meter wieder absteigen und weiterschieben. Eine Viertelstunde ununterbrochen schlitteln zu können und dann mit dem Zug hochfahren und nochmal runter, war eine sehr neue und wahnsinnige Erfahrung für mich.

    Ach ja, und Bilder gibt es auch:

    Panoramaansicht von Bussalp und First (Blick nach Norden über das Tal, in dem Grindelwald liegt).
    Ausfahrt von der Kleinen Scheidegg in Richtung Grindelwald.
    Ich war erst ein bisschen überrascht, Güterverkehr auf der Wengernalpbahn zu sehen, aber bei genauerem Nachdenken gibt es eigentlich keine andere sinnvolle Möglichkeit, Dinge auf den und vom Berg zu transportieren.
  • Polarlystur 2014

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    Polarlichter sehen. Endlich. Das war das Ziel des Geburtstagsgeschenk von mir und meiner Restfamilie für meines Vaters letzten, runden Jahrestag. Sowas macht man natürlich am besten in Norwegen, und natürlich fiel gleich die Wahl auf die Nordlichthauptstadt Tromsø. Doch nicht nur einfach Tromsø war angesagt, nein, wir wollten mit dem ältesten Schiff der Hurtigrute, das noch in Betrieb ist (nur noch diesen Winter!) hin- und zurückfahren.

    Die Schiffe von Hurtigruten fahren von Bergen über Trondheim und Tromsø bis Kirkenes und dann zurück. Also ausgemacht: Wir fliegen nach Trondheim, nehmen das Schiff bis Tromsø, bleiben dort bis das Schiff wieder zurück ist und schippern dann runter nach Trondheim, von wo aus wir heimfliegen. Ok?

    Nun ja: Ich will nicht aus Spaß fliegen. Ich mach’s kurz: Bahnfahren nach Skandinavien wird immer schwieriger, besonders am Wochenende, wenn einige der Fernzüge ausfallen (und wir mussten Sonntag morgen in Trondheim sein). Papa und ich sind letzten Endes Freitags in Frankfurt in den ICE nach Kiel (der wegen oberleitungsschadenbedingter Umleitung am Ende 61 Minuten Verspätung hatte), dann planmäßige 1h16′ Umsteigezeit (also real noch 15 Minuten, um vom Bahnhof zum Kai zu kommen) zum Schiff nach Oslo (wir kamen als letzte grade noch pünktlich an Bord). Dort am nächsten Tag dann Zug nach Trondheim. Die drei Frauen kamen da kurz vor uns mit dem Flieger an.

    Die beiden Inseln Søndre Kaholmen und Nordre Kaholmen im Oslofjord.
    Stortinget: Das norwegische Parlament. War im Sommer noch hinter Gerüsten.

    Am nächsten Tag also aufs Schiff. Schlecht: Kein W-LAN verfügbar (obwohl so beworben), und den PrePaid-UMTS-Vertrag, den ich mir in Oslo gekauft hatte, konnte ich nicht selbst aktivieren. Gut: Wir sind auf dem Weg! Sonntag Mittag (12 Uhr) bis Dienstag Mittag (14 Uhr) waren wir auf dem Schiff, bevor wir in Tromsø von Bord gingen und ein geräumiges Appartement bezogen, mit Küche, Wohnzimmer und drei Schlafzimmern. Auf dem Weg tatsächlich schon abends die ersten Nordlichter!

    Begegnung in Rørvik: MS Nordnorge ging grade nach Süden, wir mit der Lofoten (rechts) nach Norden. Die Laterne am Heck der Lofoten ist der Vollmond.
    Die ersten Anflüge von Nordlichtern. Mit bloßen Auge war allerdings kaum Farbe zu erkennen.

    Die Tage in Tromsø verbrachten wir mit Langlaufen (außer UKS für alle das erste Mal auf Skiern), und damit, uns zu wundern, wie viel Uhr es ist (um 15 Uhr muss man sich anstrengen, nicht zu denken, dass es schon 20 Uhr ist, um 22 Uhr muss man sich anstrengen, daran zu denken, ins Bett zu gehen – komisches Gefühl, das). Wir saßen einer Fehlinformation auf, dass es früh morgens besondere Nordlichter geben solle – angeblich habe es eine große Protuberanz auf der Sonne gesehen. Im Nachhinein ist die Quelle sehr fragwürdig, aber trotzdem waren wir alle um 6 Uhr aufgestanden und auf den vereisten Prestvannet gefahren, um zwei Stunden lang in den Himmel zu gucken. Bessere Quellen (=Einheimische) sagten uns dann, dass man morgens sowieso keine Nordlichter sehen würde, weil die dann weiter im Norden seien. Mist.

    Ein beleuchteter (nicht Weihnachts-)Baum am Hafen in Tromsø.
    Blick von dem vereisten Prestvannet beim (fehlgeschlagenen) morgendlichen Versuch, Nordlichter zu sehen.
    Mittagsaussicht aufs Meer. Nein, wirklich, Mittag. Die Sonne ist aber noch hinterm Berg…

    Noch am gleichen Abend wurden wir aber entschädigt, und das über alle Maßen. Deutliche Lichter ließen uns den Bus nehmen; diesmal zur Südspitze der Insel. Hier fanden wir dank OSM einen Aussichtspunkt (an dem wir ansonsten vorbeigelaufen wären) und verbrachten dort etwa eine Stunde mit offenen Mündern, während der Himmel über uns sich ins Zeug legte und unbeschreibliche Anblicke gewährte.

    Nordlicht mit Stativ und mir im Vordergrund. Blick ungefähr in Richtung Süden.
    Blick nach Westen.

    Als das Spektakel nachließ, gingen wir zu einer anderen Bushaltestelle, um noch etwas zu spazieren. Als wir dort ankamen, ging es mit den Nordlichtern weiter, und zwar noch eine Stufe stärker. Hier, am Meer, blieben wir noch etwa eine halbe Stunde, bis wir uns dann wirklich sattgesehen hatten.

    Die Spiegelung der Polarlichter auf dem Meer hat man auch mit bloßem Auge, wenn auch nur schwach, sehen können. Mit 30 Sekunden Belichtungszeit kommt das aber zugegebenermaßen noch ein wenig besser raus.

    Die mittlerweile vier Stunden Helligkeit am nächsten Tag (davon nur etwa 30 Minuten mit hinter den Bergen hervorschauender Sonne) nutzten wir für einen kleinen Spaziergang. Freitags Nachts kam dann das Schiff eine Stunde zu spät (aber wir wurden angerufen und vorgewarnt, sodass wir im warmen bleiben konnten). Auf der Rückfahrt gab es dann ein Eisskulpturmuseum und zwei Nächte lang so starken Seegang, dass ich nicht schlafen konnte (mir wurde nicht schlecht, aber ich konnte einfach nicht einschlafen).

    Riesige Eiskristalle wie diese gab es in Tromsø nach knapp vier Wochen ohne Schnee, aber Temperaturen unter Null, zu Hauf.
    Einen verschneiten Laubwald habe ich bis jetzt selten gesehen; meistens sind noch Tannen oder so dazwischen, aber hier im Norden gibt es eben nur Birken. Unwirklich wirkt das.
    Eisskulpturen in Svolvær. Leider nichts aus einem Block geschnitzt, sondern zusammengesetzt. Nett, aber nicht unbedingt die 10 Euro Eintritt wert.

    Schließlich kamen wir in Trondheim an, Montag morgens um 6 Uhr, wir konnten aber bis 8 Uhr in den Kabinen und bis kurz 10 auf dem Schiff bleiben, sodass wir einen gemütlichen Morgen hatten. Dann gab es noch ein paar Stunden Freizeit – die Frauen gingen shoppen, die Männer eine Runde Trambahn fahren – und dann zum Zug zum Flughafen und zurückgeflogen. (Die Rückfahrtsmöglichkeiten per Bahn und/oder Schiff waren noch bescheidener als die Hinfahrt, daher ließ ich mich breitschlagen.)

    Oh, in Oslo beim Umsteigen sind wir nicht durch die Gangway ins Terminal, sondern mit dem Bus drumherum gefahren. Dann durch das Terminal zum Flug nach Frankfurt im … gleichen Flugzeug wieder.

  • Telefon und Internet: Umziehen oder lieber gleich weinen?

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    Ich bin ja umgezogen. Da ich gerne meine Telefonnummer behalten wollte, konnte ich alte und neue Mitbewohnerinnen davon überzeugen, dass ich den WG-Vertrag bei 1und1 mitnehme. Problem Nummer 1: der gehörte noch offiziell einem ehemaligen WG-Mitglied. Da ich innerhalb einer Großstadt umzog, war in der neuen Wohnung natürlich DSL vorhanden. Es sollte ein Upgrade geben: statt 2000er (oder war’s 6000er?) DSL jetzt ein 50000er-VDSL. FÜr 30 Euro im Monat.

    Am 5. Dezember, 5 Tage nach dem Real-Life-Umzug, beantrage ich den Umzug fürs Telefon, und mein „so schnell wie möglich“ las sich dann als „bitte am 6. Dezember”, wohlwissend, dass dieser Termin nicht eingehalten werden könne.

    Das Nichteinhalten des Termines jedoch veranlasste 1und1 dazu, sich schlecht zu fühlen und mit einen SurfStick für mobiles Internet kostenlos zuzuschicken und mich damit einen Monat lang kostenlos surfen zu lassen (danach 2 Euro pro Tag). Mit immerhin 200 schnellen Megabyte pro Tag – mein Mobilfunktarif bei Mobilcom gibt mir 200 MB pro Monat schnell. Außerdem würde man meine Rufnummer bis zum Umzug auf mein Handy umleiten. Auch kostenfrei.

    Für die Vertragsumschreibung brauchte ich eine Perso-Kopie und eine Unterschrift vom alten Besitzer, gut, die konnte man irgendwie auftreiben. Durch Nachfragen bei der 1und1-Hotline fand ich dann auch heraus, dass ich diese Daten nicht unbedingt per Fax oder Brief (Willkommen zurück in den 80ern) schicken muss, sondern durchaus auch per e-Mail („das ist uns sogar am liebsten!“). Bravo, dann schreibt das doch mal in eure e-Mails rein, anstatt immer nur Fax oder Brief vorzuschlagen.

    Es war dann zwar noch schwer, denen klarzumachen, dass in dem von mir mitgeschickten PDF auf der zweiten Seite auch die Ausweiskopien von mir drin sind, aber das ging dann doch über die Bühne. Enter Problem 2: Die Telekom.

    Ja, in der neuen Wohnung gibt’s DSL, aber das rückt die Telekom nicht an andere Netzbetreiber heraus; sie können eine bestimmte Menge von Netzkontingent für sich reservieren, wenn sie bauen. (Ich habe mich mal darüber geärgert, dass die DB Netz nicht genügend vom Rest des Konzerns getrennt sei und dass der Wettbewerb auf der Schiene darunter sehr leide. Bei der Telekom gibt es nicht mal eine pro-forma-Trennung von Netzbetreiber und Dienstleistungsanbieter, und bei der Bahn gibt es wesentlich mehr als das.) 1und1 bot mir eine Alternative an: Ich könne eine UMTS Surf-Flat haben, ohne Telefon leider, aber, hey! LTE mit 7200 MBit/s. FÜr nur 30 Euro im Monat!

    Genau: 1und1 bietet mir als Ersatz für 50000 MBit/s plus Telefonmitnahme und 30 Euro pro Monat 7200 MBit/s ohne Telefon für denselben Preis an. Ein Siebtel der Leistung. Mir war recht schnell klar, dass das keine Alternative ist. Dankenswerterweise hat 1und1 keine Frist gesetzt, bis zu der ich mich entscheiden müsse. Bei der Hotline wurde mir zugesagt, dass ich eine dreimonatige Sonderkündigungsfrist zum Beantragten Umzugsdatum habe, weil das ja nicht funktioniert habe und ich daran keine Schuld trage. Bis ich irgendwas anderes in trockenen Tüchern habe, wollte ich das Angebot von 1und1 erstmal nicht ausschlagen.

    Was also tun? Die Telekom verlangt 40 Euro im Monat, andere Anbieter helfen mir mit dem DSL auch nicht weiter (und das wäre möglich: Wenn ich einen Vertrag bei der Telekom mache, ohne Mindestvertragslaufzeit, und dann woanders hingehe, muss die Telekom die Leitung, die sie für mich geschaltet hatte, freigeben. Die Kosten, die mir bei der Telekom entstünden, müsste ich aber komplett selbst tragen). Letztendlich kam die Idee auf, auf DSL zu verzichten und statt dessen übers Fernsehen das Internet zu bekommen. Anbieter hier ist vor allem Unitymedia, bei denen wir durch die Mietnebenkosten ungewollt sowieso schon Kunden sind.

    Das Kabelmodem von Unitymedia ist zwar schrottig und kaum konfigurierbar, und Portweiterleitungen habe ich auch nach sechs Wochen noch nicht einrichten können, aber meistens funktioniert das W-LAN mittlerweile recht zuverlässig und das Telefon geht auch. Mit einer neuen Nummer.

    Zwei Tage nach der Online-Bestellung kam das Modem bei uns an, ohne Rechnung, ohne „schön, dass sie sich für uns entschieden haben“-Heuchelbrief, einfach so. Ausgepackt, eingeschaltet, geht nicht. Kundenservice: dauert noch zwei Tage.

    Zwischendurch wieder 1und1: Über die Weihnachtsfeiertage habe ich festgestellt, dass die Rufnummernumleitung auf mein Handy nicht mehr funktioniert. Information von 1und1? Fehlanzeige. Auf Nachfrage wird mir dann erklärt, dass die ja nur für den Umzug geschaltet gewesen sei und der Umzug ja geplatzt ist. Die Nummer ist einfach gar nicht mehr geschaltet, aber drei Monate noch auf mich reserviert.

    Unitymedia schafft es unterdessen immernoch nicht, mal was zu schicken. Vertragsbestätigung oder so. Also, Kundenhotline. Ich schicke Ihnen direkt das Portierungsformular raus. Mehrere Stunden später nochmal angerufen: Ja, das dauert immer, alle unsere Mails müssen durch das Lektorat. Vielleicht hat die Kollegin einen vollen Postausgang, ich schicke es auch nochmal. Am nächsten Morgen hatte ich dann drei Mails mit gleichem Inhalt. Und dann, ein paar Tage später, auch mal einen Brief, in dem das PDFs aus den E-Mails grade ausgedruckt war. Ausgefüllt, unterschrieben, diesmal wirklich als Fax geschickt, und gewartet.

    Mit der Portierung beauftrage ich Unitymedia auch, meinen Vertrag bei 1und1 zu kündigen. Nach zwei Tagen also einen Brief von 1und1 bekommen, dass es ja schade ist, dass ich nicht mehr Kunde sein will, und dass mein Vertrag also fristgemäß zum 5.1.2015 endet, also nach Ende der momentanen normalen Vertragslaufzeit. Jetzt kommt das Meisterstück von 1und1.

    Natürlich kann Unitymedia nicht irgendwelche Sonderkonditionen, die ich bei 1und1 habe, nachvollziehen, also rufe ich bei der 1und1-Hotline an. Dort werde ich eine Stunde lang von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter weitergeleitet, mir wird wahlweise erzählt, eine vorzeitige Vertragsauflösung ginge gar nicht, könne ich nicht beantragen, wäre nicht bekannt, ich müsse Unitymedia die Portierung zurücknehmen lassen und selbst kündigen und vor allem fünf mal: Ich bin nicht zuständig, ich verbinde sie mal weiter. Nummer sechs kann mir dann endlich helfen, schreibt mir eine E-Mail und warnt mich vor, dass ich meine Ummeldebescheinigung werde schicken müssen. Natürlich auch als E-Mail. Direkt vor dem Urlaub habe ich also alles geschafft, und der Portierungstermin fällt in den Urlaub, so dass ich heimkommen müsste und alles(*) funktioniert. (*: außer der Portweiterleitung)

    Natürlich ging es dann erst zwei Tage nach dem Urlaub.

  • Auf nach Niederursel

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    2013 brachte mir zwar ein neues Fahrrad, aber letzten Endes schaffte ich es dieses Jahr nicht, das selbstgesteckte Ziel von 1000 gefahrenen Kilometern zu erreichen. Irgendwie hat die Motivation letztlich nicht gereicht, und so wurden es dann am Ende nur etwas mehr als 800 Kilometer mit den neuen Rad, plus die paarundsechzig mit dem alten Rad. Nun ja, knapp daneben ist bekanntlich ja auch vorbei, und im neuen Jahr gilt wieder das selbe Ziel.

    Um es spannend zu machen, habe ich es mir etwas schwieriger gemacht: Ich bin umgezogen. Nach mehr als fünf Jahren Studenten-WG in Heddernheim wohne ich jetzt in Niederursel — einen Kilometer näher an der Uni. Pro Arbeitstag kriege ich also nur noch etwa 3 Kilometer aufs Rad. Ein siebenstöckiges Hochhaus beherbergt mich und noch jemanden jetzt also in seinem sechsten Stock; vielleicht sollte ich wenigstens eine Strichliste anfangen, wie oft ich nach der Arbeit die Treppe statt den Aufzug nehme.

    Der Umzug an sich ist gut gelaufen; praktisch nichts ist kaputt gegangen. Dafür gab es mehr administrative Probleme: Eine Küche war zwar (relativ) schnell bei IKEA bestellt, sogar noch mit der Family-Card-Rabatt-Aktion Anfang Dezember, aber eine Tür konnte nicht geliefert werden. Naja, man kann ja ein paar Tage drauf warten. Dachten wir. Zwischendurch wollten wir aber den Herd als Standgerät und nicht von IKEA haben. Herde im Internet zu bestellen hat dabei einen Haken: zwar kann man bei allen möglichen Stellen technische Vergleiche zwischen Modelle und dann Preisvergleiche zwischen Anbietern machen, aber wenn man das Gerät geliefert und angeschlossen haben will, bringen einem diese Listen rein gar nichts, da die Kosten dafür sehr weit auseinander liegen – von 50 bis 200 Euro. Meistens zahlt man Lieferung bis an die Bordsteinkante, Lieferung bis zum Aufstellort und Anschluss jeweils einzeln. Und manchmal dann noch mit der Androhung, dass nur angeschlossen werden kann, wenn ich ein nicht näher spezifiziertes passendes Kabel bereithalte. Bezahlen müsste ich das dann natürlich trotzdem. Nun gut, unser Anbieter erschien uns der beste Kompromiss zwischen Gerätekosten und Zusatzgebühren, außerdem war der Herd dort sofort lieferbar.

    Schreiben die. Eine Woche nach der Vorauszahlung, immernoch nichts gehört über einen Liefertermin, frage ich doch mal nach und kriege zur Antwort, dass zwei Wochen Lieferzeit ja gar nicht zu vermeiden wären und das als „sofortige Lieferung“ gelten würde. Nun ja. Die tatsächliche Lieferung war vor Weihnachten und soll, so habe ich mir sagen lassen, gut über die Bühne gegangen sein.

    Zwischendurch füllte sich die neue Wohnung langsam mit heimeligen Dingen, das Sofa aus der alten WG wurde gefärbt, was nicht richtig funktionierte, äh, ich meine natürlich, wir wollten einen künstlerisch wertvollen Batik-Effekt auf dem Sofa haben. Mittlerweile habe ich mich sogar dran gewöhnt. Kleine Kinderkrankheiten der frisch renovierten Wohung wie eine tropfende Zufuhr zum Waschbecken im Bad und ein zu kurzes Abflussrohr in der Küche (es endet hinter dem Putz) waren zwar ärgerlich, aber am Ende heilbar, und der Gutschein für ein neues Set (herdbedingt induktionsgeeignete) Töpfe war bald eingelöst, und so…

    So fiel es natürlich um so mehr auf, dass der für die Töpfe vorgesehene Küchenschrank immernoch keine Tür hatte. Da muss man ja doch noch mal anrufen! Das Problem war schnell gefunden: DHL hatte die Tür einen knappen Monat unterwegs und hat sie dann an IKEA zurückgeschickt. Wir haben nie einen Zettel darüber in unserem Briefkasten oder was anderes. Gut, dass es eine kleine Tür betroffen hat, die wir uns dann direkt bei IKEA abholen konnten. Zusammen mit den beiden Türdämpfern, die das IKEA-Küchenplanungsprogramm wohl vergessen hatte. Küche: fertig.

    Telefon und Internet ist auch fast komplett geklärt, dazu gibt es aber einen eigenen Eintrag.

  • Harald Töpfer und die Lange Erde

    Original-Post

    Zwischen Gesprächen über Twitter, Urlaub und Wahlkampf habe ich in den letzten Monaten durchaus auch weiter gelesen. Höchste Zeit für ein paar Reviews!

    Für den Urlaub und danach habe ich das erste Mal wirklich e-Bücher gekauft; bezahlen ist wie bei Amazon üblich sehr einfach und die Inhalte ähnlich aufgearbeitet wie bei den freien Büchern, die ich mir bis jetzt immer heruntergeladen hatte.

    Sachbücher

    Evolution: The Triumph of an Idea von Carl Zimmer ist ein Buch darüber, wie gut doch Evolution funktioniert. Es fängt an mit einer minutiösen Nacherzählung von Darwin’s Lebensweg, die ich am Anfang etwas überflüssig fand, die sich aber nachher doch gut in das Buch einfügt. Es wird klar gemacht, dass Evolutionstheorie Vorhersagen getroffen hat, die sich später als wahr herausgestellt haben, und das in einer großen Menge von verschiedenen Feldern, vor allem natürlich in der Genetik, einem Bereich, von dem Darwin noch absolut nichts wissen konnte. Die Ausführungen über die Evolution der Sprache am Ende empfand ich dann als etwas unsauber und wenig überzeugend, trotzdem bietet das Buch eine sehr schöne Übersicht über State of the Art und auch Status der Angriffe auf die Theorie. Das e-Book an sich hat allerdings all die kleinen erklärenden Boxen, die laut der Empfehlerin dieses Buches die Printversion verzieren, nicht.

    The Signal and the Noise: Why so Many Predictions Fail – but Some Don’t von Nate Silver ist ein Buch über Statistik, Fehler und Vorhersagen. Eine der Grundaussagen des Buches ist es, dass es eigentlich immer besser ist, zu sagen, dass man sich unsicher ist, und diese Unsicherheit nach Möglichkeit zu quantifizieren. Silver erzählt in Anekdoten, von Sportwetten, politischen Vorhersagen, Wirtschaftsdaten, Erdbebenvorhersagen, Klima- und Wettermodellen und Pokerspielen und beleuchtet dabei Fehler, die einer der Disziplinen (fast) eigen sind, und Fehler, die überall gemacht werden; Disziplinen, in denen Vorhersagen gut klappen, und Disziplinen, in denen man mit einer Münze bessere Chancen auf korrekte Vorhersagen hat. Mir hat das Lesen viel Spaß gemacht; Silver hat viel mit den tatsächlich betroffenen Leuten geredet, etwa mit denen, die den Schachcomputer betreut haben, der Kasparov geschlagen hat, und er schreibt daraus spannende, aber lehrreiche Geschichten.

    Scheibenwelt

    Sollte ich erwähnen: Obwohl alle Scheibenweltbücher als Paperback bei mir im Regal stehen, habe ich Small Gods und The Amazing Maurice and His Educated Rodents für den kindle gekauft. Natürlich war diese Investition jeden Cent wert.

    Harry Potter

    Die Romane über den jugendlichen Zauberer Harald Töpfer von J.K. Rowling kann man nicht bei Amazon kaufen, sondern nur über einen externen Shop. Ich kannte bisher nur die Filme und war sehr gespannt auf die sieben Bücher; es hat auch nicht lange gedauert, bis ich sie alle gelesen hatte, nachdem ich einmal damit angefangen habe. Die ersten Romane sind sehr märchenhaft, und dann wird es immer düsterer. Genau diese Adjektive würde ich auch für die Filme verwenden – obwohl ich diese also eher zu düster empfand, muss ich jetzt sagen, dass die Stimmung der Bücher gut wiedergegeben ist. Und gegen Ende wird es auch wirklich immer spannender.

    Nun habe ich ein paar Logik-Probleme mit der Geschichte, und ich meine damit nicht die Tatsache, dass da jemand zaubern kann und auch nicht die märchenhafte Überzeichnung von Harry’s Stieffamilie, aber ich probiere mal, über die unsinnigen Spielregeln bei Quidditch hinwegzusehen. Dann bleibt noch die uneingeschränkte Fähigkeit von Snape (!), alle Regeln zu brechen und seinem Haus-Team den Quidditch-Platz zum trainieren zu geben, obwohl er eigentlich für ein anderes Team reserviert war, und dass die Spiele manchmal verschoben werden, wenn ein Spieler krank ist, und manchmal nicht (und dass es grundsätzlich keine Ersatzspieler gibt). Und natürlich dieses ganze Punkte-System zwischen den Häusern, die scheinbar nur Snape zu ungunsten der anderen Häuser ausnutzt. Na gut, vielleicht einfach auch hier „Märchen“. Trotz allem wirklich schöne Bücher. Wenn ich logisch geschlossene Fantasy möchte, kann ich ja Terry Pratchett lesen.

    The Long Earth

    Mit Stephen Baxter zusammen schreibt ebenjener Autor zwei Bücher: The Long Earth und The Long War (Long Earth), die eine gemeinsame Geschichte erzählen. Diese spielen in der nicht allzuweit entfernten Zukunft – 2029/2030 und 2040. In der Geschichte muss irgendwann um das Jahr 2015 herum eine Technologie entwickelt/veröffentlicht worden sein, mit der man in Parallelwelten gehen kann, und von denen gibt es scheinbar beliebig viele, die linear aufgereiht sind (es werden mindestens 20 Millionen in die eine Richtung und etwas mehr als 2 Millionen in die andere Richtung besucht). Der zweite Teil – The Long War (Long Earth) hatte unerwarteterweise sehr wenig Geld gekostet; aber dann bemerkte ich, dass es eigentlich keine eigenständige Geschichte ist, sondern die Geschichte fortsetzt und einige lose Enden des ersten Buchs aufgreift.

    Zwischenzeitlich 5 unabhängige Handlungsstränge, die Probleme und Chancen dieser Parallelwelten auf unterschiedliche Weise erforschen, werden ganz am Ende recht gekünstelt zusammengeführt, ohne wirklich irgendeine sinnvolle Motivation dafür zu bieten.

    Am Ende sind das zwei Bücher, die sich sehr eingehend mit der Prämisse beschäftigen – was passiert, wenn auf einmal unendlich viel Platz zur Verfügung steht? Wie reagieren Staaten darauf? Wie können die anderen Welten aussehen? – aber von der Story her einiges zu wünschen übrig lassen. Schade.

    Und weiter

    Das bringt mich aber natürlich lange nicht ab davon, weiterhin viel von Pratchett lesen zu wollen; momentan lese ich Dodger, eine Geschichte, die im London des 19. Jahrhundert spielt. Der Titelheld ist ein Waise, der ein Talent dafür hat, in der Kanalisation wertvolle Dinge zu finden, und der am Anfang des Buches eine junge Dame vor Gewalt schützt. Fängt gut an. Und das nächste auf der Liste wäre dann Raising Steam, der neueste Scheibenweltroman, der allerdings erst im November veröffentlicht wird.

  • Norge 2013

    Original-Post

    Mach mal Wahlkampfpause. Ich war auch im Urlaub, im Juli, und mindestens Bilder davon wollte ich gerne teilen.

    Zunächst war ich einen halben Samstag und den Sonntag darauf im dänischen Århus, um meine Begleitung abzuholen. Der Weg dahin war schwer – im EuroCity von Hamburg wurde ich etwa 5 mal von meinem Platz vertrieben, weil keine Reservierungen angezeigt wurden und der halbe Zug nach Århus zu einer Segelregatta wollte. Dafür konnten wir uns am Sonntag das große Auslaufen von Segelschiffen jeder Größe im Hafen ansehen.

    Zwei der kleineren Segelschiffe, die in Århus – wie alle Schiffe mit dem Hilfsmotor – aus dem Hafen auslaufen, um dann die Regatta Tall Ship Race nach Helsinki zu bestreiten.

    Dann ging’s mit dem Schiff nach Oslo und nach einer Übernachtung morgens mit dem Zug nach Stockholm. Dort hatten wir erst gutes, dann schlechtes, und am dritten Tag wieder gutes Wetter und ein Zimmer auf dem Schiff Af Chapman an der Insel Skeppsholmen. Stockholm ist, auch wenn es nicht in Norwegen liegt, eine Reise wert. Vielleicht irgendwann auch noch eine.

    Blick aus dem Fenster unserer Jugendherberge in Stockholm: Ein Bullauge im Schiff.
    Blick über Stockholm aus dem Stadhuset.

    Von da aus fuhren wir mit dem Nachtzug nach Trondheim und mit einem Mietauto nach Norden; acht Tage hatten wir, um wieder zurückzukommen. Das Wetter war mäßig; etwa dreieinhalb Tage Regen mit 10-14 °C, drei Tage trocken, aber wolkenverhangen und nicht wärmer und vielleicht insgesamt eineinhalb Tage wirklich gutes Wetter (aber immernoch kalt). Immerhin konnten wir auch einen Tag komplett wandern und zwei sehr ausgedehnte Spaziergänge machen.

    Panoramafoto bei der Wanderung knapp südlich des Polarkreises. Links der Blick nach Schweden (weniger Meter hinter dem See ist die Grenze), rechts in Richtung Meer (was hier aber erst hinter Saltfjellet und dem Gletscher Svartisen liegt).
    Blick von der Fähre auf Lødingen, auf dem Weg von den Vesterålen aufs Festland bei Bognes.
    Diese Berge müssen Teil des Svartisen-Saltfjellet-Nationalparks sein, jedenfalls ist das der Blick nach Süden von der Brücke über den Saltstraumen.

    Von Trondheim aus ging es dann wieder mit dem Zug über Dombås nach Åndalsnes, wo wir für vier Nächte blieben. Ab dem ersten Morgen hatte es auch mit dem Wetter geklappt, und wir hatten endlich das Wetter, das ich mit Norwegen-Urlauben verbinde: 22-26°C und Sonnenschein. Natürlich muss man in dieser Gegend Trollstigen und Geirangerfjord besuchen, wir waren außerdem noch am Mardalsfossen und wanderten aufs Romsdalseggen, wo ich einen der beeindruckensten Blicke diesen Urlaubs gesehen habe.

    Umsteigen in Dombås aus dem Zug rechts, der weiter nach Oslo fährt, in den Zug links, der uns nach Åndalsnes bringen wird.
    Die Trollleiter (Trollstigen) mit Blick nach Åndalsnes (und Kreuzfahrtschiff).
    Blick von der Wanderung am Geirangerfjord nach Geiranger.
    Blick von Dals Nippa auf Geiranger und den dazugehörigen Fjord. Am rechten Hang zum Fjord sieht man die gezackte Straße, oberhalb derer wir vorher gewandert waren.
    Blick von Mølvafjellet in das Romsdal mit Romsdalshornet links und Trollveggen rechts.

    Am Ende ging es dann mit dem „Zug“ zurück nach Oslo, blöderweise allerdings vier Stunden in der Mitte mit Schienenersatzverkehr (blöde Busse!) und dann wieder mit dem Schiff nach Frederikshavn in Dänemark. Und weil das am Vortag noch nicht gereicht hatte, nochmal mitten in Dänemark im Bus zwischen zwei Bahnhöfen; am Endbahnhof hatte dann ein ICE bereitgestanden.

    Sonnenuntergang am Schiff; Blick fast nach Norden.
    Eine Unterbrechung in Dänemark brachte uns vom EuroCity mit dänischem IC3 zum Diesel-IntercityExpress ICE-VT, der uns nach Hamburg brachte.
  • Die Freiheit und die Wursttheke

    Original-Post

    tl;dr: Die Freiheit. Die ist in Gefahr. Warum? Weil Wahlkampf ist.

    Ja, es ist Wahlkampf. In etwa zwei Wochen wählt Deutschland einen neuen Bundestag und Hessen einen neuen Landtag. In einer Woche wählt außerdem noch Bayern seinen Landtag neu, aber da passiert sehr wahrscheinlich nichts Erfeuliches oder Unerwartetes.

    Die BILD-Zeitung hat im Sommerloch, strategisch geschickt vor dem heißen Wahlkampf, eine Forderung der Grünen ausgegraben, die sich so wiedergeben lässt: Die Grünen wollen öffentliche Kantinen dazu ermutigen, einen Tag in der Woche kein Gericht mit Fleisch anzubieten. Das soll der Veggie-Day werden.

    Nein, nein, da kommt nichts mehr. Das ist der ganze Vorschlag: Kantinen sollen ermutigt werden, etwas zu tun. Die sollen nicht angewiesen werden, das zu tun, und die sollen auch nicht alle Leute zwingen, kein Fleisch mehr zu essen. Einfach nur ein „hey, überlegt euch doch mal, sowas zu machen“. Nicht mehr, nicht weniger.

    Doch das reicht schon, um vielen Leuten Schaum vor den Mund zu zaubern. Die bösen Öko-Faschisten, hört man dann, wollen ja alles verbieten, was Spaß macht, und uns ihre Meinungen aufoktruieren. Und die Leute glauben’s. Weil es so schön ins Bild passt. Welches Bild? Naja, das, das genau die Leute gezeichnet haben, die jetzt laut aufheulen. Und, wo wir grade dabei sind, ziehen wir auch noch ein allgemeines Tempolimit dazu (die bösen Grünen wollen verbieten, dass man mit 260 km/h über die Autobahn brettern darf), und am Besten auch noch das Verbot von Ölheizungen und ungedämmten Häusern.

    Ich gucke da vor allem zur FDP. Bei „FDP“ steht das „F“ für Freiheit. Und die Partei, die dahinter steht, bildet sich auch wirklich ein, „unideologisch“ für Freiheit zu sein. Jegliche Einschränkung der Freiheit ist falsch, nur, wenn die Ausübung einer Freiheit die Freiheit eines anderen einschränkt, kann ein Verbot zulässig sein.

    Das ist, an sich, gar keine schlechte Philosphie. Aber wie sieht das denn mit Fleisch und Tempolimit und Ölheizungen aus? Nehmen wir das Fleisch. Welche Freiheit schränkt der Staat eigentlich ein? Wie oben gesagt: keine. Weil es eben keine Verordnung geben soll, sondern Überzeugungsarbeit. Anreize. Vielleicht schränkt aber die Kantine meine Freiheit als Kunde ein?

    So einen Unsinn habe ich selten gehört.

    (Also zugegebenermaßen habe ich genau diesen Unsinn von vielen, andernfalls eigentlich intelligenten Leuten gehört. Aber das ist ja grade mein Problem.)

    Wenn ich in eine Kantine gehe, gebe ich meine Freiheit, frei zu entscheiden, was ich essen will, auf. Schon immer. Ich kann – meistens – zwischen verschiedenen Gerichten wählen, aber ich bin mir sicher, dass jeder, der regelmäßig so isst, schonmal in der Situation war, dass die Auswahl nur das kleinste zwischen mehreren Übeln wählen konnte. Selbst wenn also eine Kantine an einem Tag kein Fleisch anbietet, ist meine Freiheit damit mitnichten mehr eingeschränkt, als sie es durch meine Wahl, in die Kantine zu gehen, sowieso schon war. Und, oh, das Problem ist, dass es eine bestimmte Lebensmittelart gar nicht mehr gibt an einem Tag? In welcher Kantine gibt es denn jeden Tag Nudeln und Reis und Kartoffeln und Rösti und Kroketten und Kartoffelbrei und auch noch Vollkornnudeln? Das Angebot in den meisten Kantinen ist von Tag zu Tag unterschiedlich. Das liegt nicht an den Grünen, sondern am Prinzip Kantine.

    Tempolimit. Das ist, zugegeben, etwas schwieriger. Wenn wirklich nur die Einschränkung einer anderen Freiheit eine Beschränkung von irgendwas rechtfertigt, ist es wirklich nicht leicht, ein Tempolimit zu begründen. Aber wie direkt muss die Einschränkung denn sein?

    Ich habe dazu eine andere Sache, die wir verbieten: Giftmüll in den Wald kippen. Das ist zwar auch eine grüne (kleines g!) Maßnahme für eine gesunde Umwelt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Verfechter einer Aufhebung dieses Verbotes geben würde, nicht mal bei den freien Demokraten. (Wenn es doch solche Leute gebt, wüsste ich gerne davon. Ihr Leserinnen und Leser habt diesen Artikel wahrscheinlich über twitter oder Facebook gefunden, dann wisst ihr ja auch, wie ihr mich erreichen könnt). Welche möglichen Argumente könnten Hardcoreliberale für ein Verbot haben, dass die Entsorgung von Altöl, Chrom oder Plutonium im Wald verboten werden soll? Man kann hier mit Sicherheit ein Freiheitsargument konstruieren: Giftmüll in der Landschaft könnte gefährlich für die Bevölkerung werden und damit deren Freiheit, unversehrt zu bleiben, einschränken. Aber ehrlich gesagt finde ich so eine Argumentation sehr an den Haaren herbeigezogen. Hier geht es um Werterhaltung, und es geht hier um einen gemeinsamen Wert – unsere Umwelt.

    Aber selbst, wenn man dieses Freiheitsargument glaubt, ist das mit dem Tempolimit wirklich so viel anders? Ein Tempolimit würde die Unfallhäufigkeit verringern (und jetzt kommt mir nicht mit „die meisten Unfälle passieren bei niedrigeren Geschwindigkeiten“, sondern guckt euch an, wie schnell die Autos vor dem Bremsvorgang waren). Ein Tempolimit würde aber auch den Schadstoff-Ausstoß der Autos verringern, und zwar erheblich (auch mit modernen, effizienten Autos kommt man am Luftwiderstand einfach nicht vorbei). Und wo ist der qualitative Unterschied zwischen Altöl im Wald und Kohlendioxid, Stickoxiden und Rußpartikeln in der Luft?

    Ja, verdammt, das mit dem Altöl, das sieht man besser. Es fällt mehr auf. Die Folgen sind leichter vorstellbar – wenn sie auch weit davon entfernt sind, direkt zu sehen zu sein. Ein Liter Altöl im Taunus zu verschütten wäre wahrscheinlich auch schlimmer, als 100 Liter Benzin mehr zu verbrennen, nur weil man schneller fahren will. Aber, auf einmal, fast unbemerkt, sind wir an einer Diskussion über Abstufungen, weg von dem fundamentalistischen Dogma „Freiheit nur gegen Freiheit“. Auf einmal, wenn man diesen Gedanken ernst nimmt, ist die Forderung nach einem Tempolimit nicht mehr undiskutabel, nur vielleicht für manche zu weit weg. Auf einmal haben wir andere Fragen zu beantworten:

    • Sind direkte Umweltschäden zulässige Gründe für Verbote, d.h. für Einschränkungen unserer Freiheit?
    • Sind zu erwartende indirekte Umweltschäden zulässige Gründe für Verbote? (Vielleicht sollte man auch Fragen „Können zu erwartende … Gründe für Verbote sein?“
    • Schädigt das Autofahren mit Geschwindigkeiten über x km/h die Umwelt? Gefährdet CO2-Ausstoß das Klima?
    • Wenn ja, wie muss man dann die Gefährdung von Umwelt, Gesundheit und Klima durch das Fahren mit hoher Geschwindigkeit gegen die Freiheit, schnell zu fahren, abwägen? Was wiegt stärker?

    Wenn wir über die letzte Frage diskutieren würden, wäre ich froh. Das wäre die ehrliche Debatte. Ich sehe, aus den Argumenten oben, keinen Weg, wie man an anderen Diskussionen enden kann. Auch in CDU/CSU und FDP ist durchaus bekannt, dass das Klima durch CO2 gefährdet ist. Merkel hatte sich mal sehr gerne „Klimakanzlerin“ nennen lassen. Durch das Beispiel mit dem Altöl sollte jeder merken, dass Umweltbedenken durchaus unkontrovers als Verbotsgründe taugen können. Warum, dann, führen wir eine Radikaldebatte („Das geht nicht! Freiheit!“)?

    Die echte Position von Tempolimitgegnern müsste sein „Das schädigt zwar der Umwelt, aber ich halte meine Freiheit, schnell zu fahren, für wichtiger.“ Ein möglicher Nebensatz (ich würde das die ‚Irrelevanz-Ausrede‘ nennen) wäre „Ich glaube, dass die Schädigung der Umwelt durch hohe Autogeschwindigkeiten sehr klein ist.“ und „Das macht eh nix aus im Vergleich zu dem Rest, den wir so emittieren.“

    Doch diese Position, die inhärent egoistisch ist, kann man nicht so leicht verteidigen, schon gar nicht moralisch. Also fällt man zurück auf den Strohmann der Freiheit. Die Irrelevanz-Schiene kann man natürlich fahren, und über die kann man auch diskutieren. Helfen denn kleine Schritte? Gibt es überhaupt große Schritte, die man machen kann? Das sind gute Fragen. Das sind wichtige Fragen. Ich glaube, kleine Schritte helfen, ich glaube, dass wir ohne die kleinen Schritte nie zu den großen Schritten kommen. Aber ich bin gerne bereit, darüber einen Diskurs zu führen. Ich weiß, dass ich mir bei diesen Positionen nicht absolut sicher bin.

    Aber ich weiß, dass das Tempolimit auf Autobahnen nichts mit Freiheit zu tun hat.

  • Corporate Twitter – Reprise

    Original-Post

    tl;dr: VGF und RMV haben sich mit mir getroffen, war nett, habe viel verstanden.

    Seit mittlerweile zweieinhalb Jahren nutze ich Twitter, in der Zeit habe ich etwas mehr als 1400 Tweets geschrieben. Kein Tweet hat so viel Resonanz hervorgerufen wie der 1387. (wenn ich richtig gezählt habe), indem ich meinen Blog-Eintrag über die Twitterer bei VGF, RMV und DB beworben habe: Drei Retweets und fünf neue Follower, das ist schon wirklich viel.

    Für mich ist twittern relativ einfach. Ich bin eine Privatperson, und wenn ich nicht irgendwelche Geheimnisse ausplaudere, habe ich meine Tweets nur mit mir auszumachen. Die größte Hürde ist also, dass ich nach zwei Monaten nochmal draufschaue und denke „oh Mann, das war wirklich nicht nötig“. Anders natürlich für Menschen, die beruflich und vor allem für ihren Arbeitgeber twittern – in dessen Namen also. Was hier gesagt wird, lesen typischerweise viele Leute, auch die Chefs, und wenn man etwas twittert, dass nicht der offiziellen Lesart der Geschäftsleitung entspricht, dann hat man ein Problem.

    All das ist so trivial, aber manich muss smich auch daran erinnern. Ebenso offensichtlich ist, dass die Social Media-Leute in einem Verkehrsunternehmen (auch wenn der RMV kein Verkehrsunternehmen im eigentlichen Sinne ist, zähle ich ihn als Unternehmen, das was mit Verkehr zu tun hat, mal dazu) typischerweise nicht Verkehrsexperten sind, sich also bei tiefergehenden Fragen auf ihre Fachabteilungen berufen und verlassen müssen. (Selbst wenn sie Verkehrsexperten wären, müssten sie das, streng genommen.)

    Für mich als Endkunden sind die internen Abläufe meistens nicht zu sehen, was ja auch Sinn macht. Viele Diskussionen sollten daher eigentlich Diskussionen mit den Fachleuten statt den Social Media-Leuten sein, aber ich bin überzeugt, dass man das weder sinnvoll noch produktiv gestalten könnte – und das ist auch vollkommen in Ordnung.

    Nun hatte ich also lauthals (und, wie ich jetzt finde, teilweise recht harsch) Kritik geübt. Aber unerwarteterweise ist die Kritik nicht einfach verhallt und hat vielleicht ein paar Leidensgenossen gefallen, sondern hat VGF und RMV dazu gebracht, mir Gespräche anzubieten über den Artikel, über kleine Ungenauigkeiten in dem, was ich geschrieben habe und über die großen Themen, die ich angesprochen habe.

    Damit hatte ich noch weniger gerechnet als mit der Riesenresonanz der „privaten“ Twitterer, aber dafür hat es mich auch sehr gefreut, einmal die „Köpfe dahinter“ kennenlernen zu können. Ein wenig mulmig war mir schon, besonders das Team des RMV ist ja nicht sehr gut weggekommen, und jetzt wollte die Chefin(!) der Twitter-„Agents“ (die Chefin selbst twittert nicht, die Agents sind die vier, die auf der Twitter-Seite angegeben sind) mit einem ihrer Agents mit mir reden. Ja, die Mail war freundlich und „wir danken für die Kritik“ und so, aber, hey, das sind PR-Leute. Vielleicht würden die sich mir gegenübersetzen und mir erzählen, wie doof ich doch bin, sowas zu schreiben!?

    Nun ja, Augen zu und durch. Zuerst hat mich *sr von @vgf_ffm auf einen KaffeeTee in die Kantine der Stadtwerke eingeladen, und wir haben uns über twitter, die VGF, die Struktur des Nahverkehrs mit VGF, traffiQ, RMV, DB und auch den Busunternehmen unterhalten; vieles von dem, was ich oben geschrieben habe, wurde mir in diesem Gespräch (wieder) bewusst. Es war schön, auch einen kleinen Einblick in seine Arbeit zu bekommen; er erzählte davon, dass er kurz vorher bei Dreharbeiten zu einem kurzen Fernsehfilm über die Sicherheit an Hochbahnsteigen war. Der Beitrag ist mittlerweile bei einem Privatsender über den Äther gelaufen; ich fand ihn zwar grottig, aber das liegt einzig an dem Stil dieser „Infotainment“-Sendung, die den Namen eines der größten Wissenschaftlers missbraucht. Am Tag vor unserem Gespräch hatte die VGF ihr neues Design für ihre Webseite gelauncht, und so haben wir uns noch über TYPO3 ausgetauscht.

    Eine Korrektur / Ergänzung zu dem VGF-Teil brachte es: Die Sache mit der U3/U8 und den zwei Wagen (Fahrgast beschwert sich, dass es nicht drei sind, weil voll) hatte mich vor allem deswegen geärgert, weil die VGF selbst noch im letzten August geschrieben hatte, dass sie das Angebot ausreichend finden würde. Nun ja, auch das konnten wir ausräumen.

    Einen Termin mit RMVdialog zu finden, hat wesentlich länger gedauert; erst gestern kam es dazu. Immerhin haben wir uns, nach meinem Hinweis, dass meine Fahrkarte nur bis Zeilsheim, also nicht bis in den RMV-Hauptsitz in Hofheim, reicht, auf ein Treffen im Café Hauptwache geeinigt. Die Chefin hat /ka mitgebracht, und es wurde mir schnell klar, dass das „wir danken für die Kritik“ wirklich ernst und aufrichtig gemeint war. Wir sind die Dialoge, über die ich geschrieben habe, durchgegangen und haben darüber geredet, was da wo an welcher Stelle schiefgelaufen ist – sowohl in der Kommunikation (auf beiden Seiten, also auch bei mir), als auch RMV-Intern beziehungsweise im tatsächlichen Verkehr. Besonders interessant fand ich, wie viel Struktur hinter dem Twitter-Auftritt steckt. Nun sind die Strukturen hinter RMVdialog eben recht neu, noch nicht komplett eingespielt und auch nicht an jeder Stelle perfekt – Aussagen nach dem Motto „hier haben wir festgestellt, dass das und das nicht gut läuft; deswegen haben wir die Struktur geändert“ kamen öfters. Zwei besonders erwähnenswerte Dinge: Das Team will nicht, dass Tweets mit „Nein“ beginnen. Das kann ich vollkommen verstehen; das ist der Grund für den gelöschten Tweet, über den ich mich geärgert hatte. Zweitens: Ich muss auch selbst genau lesen. Ich finde die 140-Zeichen-Begrenzung bei Twitter ja eigentlich total toll, aber es erfordert eben auch in Dialogen Präzision. Der zweite Tweet, den ich nicht gefunden hatte, existiert noch. Warum hatte ich ihn übersehen? (Oder hatte ich noch einen anderen gemeint?) Vielleicht tauchte er in der einen Dialogansicht nicht mehr auf. Das ist natürlich ärgerlich. Und das mit dem Vectus, aber das schreibe ich gleich. Eine besondere Komplikation des RMV ist auch, dass er eben ein Verbund ist. Viele Fragen betreffen einen der Partner des RMV, von den Verkehrsunternehmen (VGF, DB, Veolia etc) über die lokalen Nahverkehrsorganisationen (in Frankfurt die traffiQ) bis hin zu den Gebietskörperschaften (Städte und Gemeinden). Viele Fragen, die tatsächlich den RMV betreffen, erfordern mindestens eine Ab- oder Rücksprache mit den Partnern. Und Änderungen an Strukturen (nicht nur, aber natürlich vor allem Tarifstrukturen) bedürfen einer Einigung zwischen allen Partnern. Im Allermindesten verlangsamt das die Kommunikation natürlich.

    Wie gesagt, die beiden Damen vom RMV haben auch viel inhaltlich zu den Problemen sagen können. Da ist zum Beispiel der kurze LINT (LINT27) auf der Bahn Richtung Limburg, in dem wir am 1. Mai saßen. Stellt sich heraus, der hätte lang sein sollen und ist wegen einer Fahrzeugstörung am langen Triebwagen eben mit dem Kurzen gefahren. Besser als Ausfall? Alle mal. Da war aber die Frage nach den Fahrgastzählungen. Zählungen macht der RMV nicht, sondern die Verkehrsunternehmen, die dreimal im Jahr dem RMV berichten. Fahrgastzählungen sind aber teuer, und so geht es eben nicht, dass an jedem Feiertag gezählt wird. Nun gut. Dass der ÖPNV in Deutschland und Hessen chronisch unterfinanziert ist, ist nun wirklich nichts, an dem der RMV selbst was ändern kann. Wenn die Landesregierung auch lieber unnötige Regionalflughäfen baut… Anyway, ich habe behauptet, dass RMVdialog versprochen habe, die Vectus auf die Engpässe hinzuweisen, und das war falsch. Machen wir mal einen kleinen Factcheck:

    Das tut mir leid. Wir haben die beschriebenen Engpässe auf der Vectus-Linie an Feiertagen bereits weitergeleitet.

    Offensichtlich wurden die Engpässe weitergeleitet, aber da steht nicht, dass es an die Vectus gegangen sei; natürlich ging es an die zuständige Stelle im RMV. (und außerdem steht da eben „weitergeleitet“ und nicht „hingewiesen“. Wie komm‘ ich nur auf so was?).

    Die Sache mit dem Bus in Kronberg ist extrem unglücklich gelaufen. Ich hatte mich darüber geärgert, dass ich ständig andere Antworten bekommen hatte. Alle drei Antworten waren scheinbar in der ersten internen Antwort an das Twitterteam schon enthalten, das wurde aber nicht klar. Lesson learned: Früher auf Mail umsteigen. Das hat natürlich andere Nachteile (die Antwort ist nicht mehr öffentlich etc), aber irgendeinen Tod muss man sterben. Die Antwort auf die Frage, warum denn 11 Minuten Umsteigezeit nicht reichen würde, steht noch aus.

    Bei der Sache mit der Kurzstrecke gab es wohl tatsächlich eine Fehlinformation, nämlich die mit der Abhängigkeit von dem benutzten Verkehrsmittel. Und selbst das ist nicht komplett richtig; zwischen Hauptbahnhof und Stresemannallee (ich rede natürlich von Frankfurt) gilt die Kurzstrecke in der S-Bahn nicht, nur im Bus. Weil die S-Bahn eben nicht direkt fährt und wesentlich länger als 2 Kilometer unterwegs ist. Gleiches Beispiel zwischen Heddernheim und Römerstadt, nur dass es hier die U-Bahn ist, die den Umweg gegenüber dem Bus fährt. Dass die Verbindungsauskunft und die Tarifauskunft nicht miteinander verbunden sind, ist ein offenes Problem beim RMV, und der Hinweis „Bitte beachten Sie: Lokale Regelungen können zu Fahrpreisabweichungen führen“ ist halt extrem unbefriedigend, wenn ich doch eine RMV-Karte kaufen will. Aber auch hier ist das Problem in der Struktur des RMV, nicht bei RMVdialog zu suchen.

    So. Und jetzt? Mich zu beschweren, dass ich in 2½ Tagen keine Antwort bekommen hatte, war natürlich etwas übertrieben. Ich habe jetzt mehr Verständnis für die Leute „auf der anderen Seite“; mal sehen, wie sich das niederschlägt, wenn es mal wieder einen Konfliktpunkt gibt. Ich hoffe, dass mein Artikel und die Gespräche danach wirklich helfen, die Kommunikation zu verbessern. Die Twitterteams sind aber eben nicht Twitterer wie ich, sondern Sprachrohre für ihren Betrieb, und in gewisser Hinsicht Prügelknaben (und -mädchen). Darum kann man sie wohl nicht beneiden, schon gar nicht aus der Perspektive eines privaten Twitterers. Also, @vgf_ffm und @RMVdialog, schön, dass es euch gibt, schön, dass man mit euch reden kann, viel Erfolg weiterhin. Wir lesen uns!

  • Corporate Twitter

    Original-Post

    tl;dr: VGF twittert super, DB gut, RMV schlecht. Außerdem gibt es eine Reprise zu diesem Artikel.

    Mir liegt da was auf dem Herzen, seit länger schon, und ich wollte schon länger darüber schreiben. Als Bahn- und genereller auch ÖV-affiner, twitternder Mensch aus Frankfurt folge ich bei Twitter den Unternehmen VGF, DB und RMV – also dem lokalen Verkehrsunternehmen, das den kommunalen Schienenverkehr (U- und Straßenbahn) in Frankfurt betreibt und dem alle Haltestellen gehören, dem großen Unternehmen, mit dem ich immer Fernreisen unternehme und das hier einen Großteil des „großen“ Schienenverkehrs, vor allem den S-Bahn-Verkehr, betreibt, sowie den Verkehrsverbund, der den überkommunalen Verkehr koordiniert und bestellt sowie die Preisstruktur festlegt. Als einzige Stelle fehlt für mich die traffiQ, die als Frankfurter Amt die lokalen Linien bestellt, deren Fahrplan festlegt und auch bezahlt.

    Nun begrüße ich es generell sehr, wenn Unternehmen eine Anlaufstelle mit möglichst geringer Beteiligungsschwelle bieten; die drei Unternehmen bilden da keine Ausnahme. Die Qualität der einzelnen Services ist aber sehr unterschiedlich:

    VGF (@vgf_ffm)
    Die Verkehrsgesellschaft Frankfurt twittert schon recht lange, ich glaube, seit kurz nachdem ich selbst damit angefangen hatte. Von den drei Mitarbeitern im Twitter-Team, die ihre Tweets mit „*“ + Kürzel unterschreiben, twittert eine Person sehr selten, und zwischen die Dialogtweets bei Kundenanfragen mischen sich noch automatische Informationen im gleichen Feed.

    Wenn man mit Fragen etwas mehr ins Detail geht, merkt man oft, dass die MarketingÖffentlichkeitsarbeits-Menschen der VGF (Update: Ich habe mich aufklären lassen, dass Marketing in Frankfurt alleinige Sache der traffiQ ist, die VGF daher keine Marketing-Leute hat) nicht vom Fach sind, aber um mit dem Otto-Normal-Kunden auf einer Ebene kommunizieren zu können, ist das ja auch nicht unbedingt schlecht. Allerdings kommt es dann auch schonmal vor, dass man über mehr als zehn Tweets versucht, darauf hinzuweisen, dass an einer Stelle ganz offensichtlich zwei U-Bahn-Typen verwechselt wurden.

    Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass man sich bewusst hinter Halbwahrheiten oder Unvollständigkeiten versteckt. Jüngstes Beispiel: Jemand beschwert sich, dass im nachmittäglichen Berufsverkehr auf der Linie U3 nur kurze zwei-Wagen-Züge fahren. Die Antwort der VGF ist, man könne „momentan leider keine längeren Züge auf der Linie U3 einsetzen“. Darauf hingewiesen, dass drei Wagen sehr wohl möglich sind und im Winterhalbjahr auch wirklich fahren, wird dann präzisiert, dass es um die Finanzierbarkeit gegangen sein sollte. Update: Zur Klarstellung noch folgendes: Im August letzten Jahres hat die VGF noch getwittert, dass sie sich „mit der traffiQ einig“ sei, dass die Kapazität auf U3 und U8 ausreicht. Vor diesem Hintergrund fand ich die Antwort suboptimal.

    Alles in allem finde ich aber den Kundenservice der VGF bei twitter vorbildlich. Über den Tellerrand dieser Plattform hinausgeguckt verstehe ich zwar nicht, warum schöne Bildergalerien wie die zum Umbau von Ptb- zu Pt-Wagen oder von Schotterarbeiten auf der C-Strecke nur bei Facebook und nicht auf der eigenen Homepage der VGF zu sehen seien können, aber das ist nun wirklich ein kleines Detail. Oh, und manchmal kommen Antworten auch am Sonntag. Das nenne ich Einsatz! (Würde aber liebend gerne auch bis Montags warten normalerweise.)

    DB (@DB_Bahn)
    Die Deutsche Bahn ist natürlich ein viel größeres Unternehmen, deshalb kümmern sich gleich 12 Personen um den Account. Unterschrieben wird hier mit „/“ + Kürzel. Obwohl es eigentlich auch einen eigenen, dezidierten Info-Kanal (@DB_Info) gibt, kommt auch über den Dialogkanal hin- und wieder Werbung für irgendwelche Angebote der Bahn, was ich persönlich nervig finde.

    Fehlendes Detailwissen gibt es bei der Bahn auch, aber auch hier regen mich Halbwahrheiten mehr auf. Über meine krasseste Sache mit der Bahn habe ich vor einem Jahr geschrieben, da hatte es etwas gedauert, bis ich den lieben Leuten klarmachen konnte, dass überhaupt was schiefgelaufen ist. Und natürlich die Anfrage eines Bekannten, warum denn der Sprinter an dem einen Tag nicht fährt, wo die lieben Leute nicht realisiert hatten, dass das einfach an Montagen kein ICE-Sprinter fährt, weil Verkehrstage Di-Do sind und ihm keine Antwort geben konnten (er hatte gefragt, warum er den Zug nicht in der Verbindungsanfrage angezeigt bekommt).

    Dann war da noch die Situation, in der ich gefragt hatte, warum ich denn keine Ankunftstafel auf meinem Smartphone mit der offiziellen DB-App herunterladen könnte . Die Antwort war im Prinzip „weil wir nicht glauben, dass das für irgendwen interessant sein könnte“. Okay, das ist eher ein Braindamage bei der DB als bei dem Kommunikationsteam, aber naja.

    Auf dem Schwesterkanal, @DB_Info, konnte man einmal schön die Denkweise des ganzen Unternehmens exemplarisch sehen, als sie schrieben:

    Zugverkehr in Bremen stark beeinträchtigt (Stand 15 Uhr): Güterwagen eines Privatzuges vor dem Bahnhof Bre… http://bit.ly/UiObnS #DBVm

    …worauf eine wunderschöne Gegenfrage von @Zugschlus sich danach erkundigte, ob das denn bedeute, dass die DB sich nicht als Privatunternehmen sehe (was sie rechtlich sind).

    Nun ja, die DB benutze ich fast nur in meiner Freizeit, dementsprechend selten sind meine eigenen Kontakte mit deren Twitter-Team. Alles in allem bin ich recht zufrieden.

    RMV (@RMVdialog)
    Seit recht kurzer Zeit hat auch der Rhein-Main-Verkehrsverbund eine Dialogplattform in Twitter. Vielleicht kann man vieles von dem hier auf fehlende Erfahrung schieben, aber bis jetzt bin ich fast bei jedem Gespräch sehr unzufrieden zurückgeblieben. Es twittern vier Personen, die wie DB_Bahn mit „/“ + Kürzel unterschreiben. Meine Interaktionen beschränken sich bisher auf zwei von denen.

    Auf eine Anfrage, zugegeben, wollte ich nochmal was Ausführlicheres schreiben, da kann ich mich nicht wirklich über fehlende Antwort beschweren. Es ging mir darum, warum bei der RMV-Homepage, wenn ich etwas in die Felder für die Verbindungsauskunft eingebe und zu schnell tippe, statt meines Textes der erste Hit der JavaScript-Autovervollständigung übernommen wird (so wird zum Beispiel regelmäßig aus ‚F Heddernheim‘ ‚Frankfurt (Main) Hauptbahnhof‘).

    Andere Erfahrungen: Am ersten Mai bin ich dieses Jahr wie jedes Jahr an diesem Tag mit dem Zug und Freunden in den Taunus gefahren, und zwar so, dass wir um kurz vor 10 Uhr in Niedernhausen aus der S2 in den Zug der Linie 21 Wiesbaden→Limburg umsteigen. Unabhängig vom Wetter wurde es in diesem Zug schon immer recht kuschelig, und das auch schon, als noch ein langer LINT 41 dort unterwegs war. Dieses Jahr fuhr nur ein kurzer LINT 27, und es wurde richtig eng. Einer meiner Freunde hat daraufhin bei RMVdialog nachgefragt, warum das so ist, und bekommt als Antwort, dass „nicht alles lässt sich perfekt im Voraus planen [lasse], das hängt auch vom Wetter und den Veranstaltungen ab“. Auf nachboren wurde dann versprochen, dass die Vectus, der Betreiber der Linie 21, auf die „beschriebenen Engpässe hingewiesen“ worden sei. Was das nun bedeutet – ändert sich dadurch was? – ist mir unklar, und warum der RMV nicht selbst mal Zählungen durchführt, wurde mir ebenfalls nicht klar. Update: Ist mir jetzt klar. Siehe die Reprise.

    Am gleichen Tag fuhren wir am späten Nachmittag wieder zurück nach Frankfurt; diesmal ging es mit dem Bus von Heftrich über Königstein und Oberursel Bahnhof in die U3 nach Heddernheim. Während die Anschlüsse in Königstein von Buslinie 223 auf Buslinie 261 gut aufeinander abgestimmt sind, kommt der 261er planmäßig eine Minute nach Abfahrt der (halbstündlich verkehrenden) U3 Richtung Frankfurt am Bahnhof in Oberursel an.

    Darauf angesprochen, warum das so ist, lautete die Antwort von RMVdialog, die Fahrzeit richte sich nach dem Anschluss an die S4 in Kronberg aus. Das an sich wäre eine gute Begründung, nur hatte ich mich daran erinnert, dass der Bus ein paar Minuten in Kronberg gestanden hatte und währenddessen nichts in dem Bahnhof ein- oder ausgefahren war. Also bemühte ich mal die Fahrpläne und stellte fest, dass die Antwort nicht so ganz stimmen kann:

    S-Bahn Ankunft Kronberg Bf 19:51
    Bus Ankunft Kronberg Bf 19:59
    Bus Abfahrt Kronberg Bf 20:00
    S-Bahn Abfahrt Kronberg Bf 20:08

    Zugegeben, ich habe noch nie einen Fahrplan entworfen und musste mich noch nie mit Fahrgastbeschwerden auseinandersetzen, die durch zu kurze Anschlüsse entstanden sind, aber eine Verschiebung um 2 Minuten nach vorne scheint mir den Anschluss in Kronberg nicht zu gefährden. Darauf angesprochen ändert sich die Argumentation von RMVdialog dann zu dem notwendigen Umstieg für Pendler in Kronberg Süd. Pendler. An Feiertagen und Sonntagen. Nagut, kann ja sein. Fahrplan?

    S-Bahn Richtung Kronberg Bf 19:49
    Bus in Kronberg Süd 20:03
    S-Bahn Richtung Frankfurt 20:10

    Die Sonntagspendler, die aus Frankfurt kommen und in den Bus Richtung Oberursel/Bad Homburg umsteigen wollen, haben also 14 Minuten Zeit zum Umsteigen. Nein, ich kann nicht verstehen, warum 11 Minuten nicht mehr ausreichend sein würden.

    Auf einmal gibt es eine dritte Argumentationslinie von RMVdialog, nämlich, dass ein zu frühes Ankommen des Busses in Oberursel den Anschluss der S5 ebenda gefährden könnte. Warum der Bus nicht einfach drei Minuten Liegezeit in Oberursel Bahnhof bekommen könnte, wird nicht klar. Zwischendurch und am Ende gab es dann noch schmallippige Aussagen „die Linie 261 ist an den Anschluss an/von die/der S4/S5 gebunden, nicht an die U-Bahn“ und „leider kann es nicht an allen Knoten optimale Anschlüsse geben. Irgendwo müssen Kompromisse gemacht werden“, ohne dass irgendwie klar wurde, warum hier im Speziellen ein Kompromis überhaupt notwendig ist.

    Ich empfand dieses Gespräch sehr enttäuschend. Was hätte ich mir besser gewünscht? Dass ich nicht im Laufe des Gesprächs drei unterschiedliche Argumentation erzählt bekommen hätte, die allesamt durch einen einfachen Blick in den Fahrplan hätten widerlegt werden können. Hier ist es schwierig, rauszufinden, ob das am Unvermögen der Marketingleute oder an bewusstem Versuch, zu verschleiern liegt, aber ich als Kunde des RMV bleibe mit einem schalen Gefühl zurück. Sagt doch einfach „Oh, das wissen wir auch nicht, wir leiten das mal weiter“, statt euch hinter falschen Ausreden zu verstecken!

    Leider war das noch nicht alles mit dem RMV. Meine Schwester sprach mich an, ob ich denn wüsste, wie weit die Kurzstrecke von der Bockenheimer Warte aus gelte. Kein Problem, ich kann ja per Twitter mal den RMV fragen, dachte ich. Komischerweise merke ich jetzt, beim Zusammenschreiben, dass einige der Antworttweets von RMVdialog nicht mehr aufzufinden sind; ein Schelm, wer dabei böses denkt. Zum Glück habe ich meinen E-Mail-Papierkorb noch nicht geleert. Jedenfalls wurde mir gesagt, dass das nicht ginge; nur die Automaten wüssten das.

    Nein, das übernimmt normalerweise der Automat oder das RMV-HandyTicket für Sie. In welchem Gebiet möchten Sie denn fahren?

    Das ist nicht möglich. Auskunft darüber erteilt nur das entsprechende Kurzstreckenverzeichnis an der Haltestelle.

    Dass an den Automaten ja die Listen auch aushängen, bemerke ich, und frage nach dem Grund, der mir nicht gesagt werden kann. Ich ergänze später noch, dass mir selbst in der Verbindungsauskunft keine Kurzstreckenpreise angegeben werden, auch wenn ich eine sehr kurze Strecke abfrage. Nun ja, man frage nach. Zwischendurch hatte ich per Suchmaschine eine Liste der traffiQ gefunden, auf der ich genau das steht, was ich gesucht hatte. Verbesserungswünsche hier? Der RMV sollte diese Listen kennen und auch selbst zur Verfügung stellen.

    Am nächsten Tag bittet mich dann der RMV darum, eine kurze Mail zu schreiben, damit sie mir ihre ausführliche Antwort zumailen können. In dieser Mail wird mir kompletter Bullshit aufgetischt:

    Hallo Bjørn,

    die Kurzstrecke hängt an bestimmten Regeln (Entfernung, teilweise Zahl der durchfahrenen Haltestellen). Der schlichten Auflistung ist dies jedoch nicht anzusehen – tatsächlich gibt traffIQ nur Auskunft über die möglichen Kurzstreckenziele. Die tatsächlich gegebene Abhängigkeit von der gefahrenen Strecke und den Verkehrsmitteln bleibt unberücksichtigt:

    Eine Darstellung in der Verbindungsauskunft, welche Haltestellen zum Kurzstreckentarif erreichbar sind, wäre nicht wirklich exakt, da es von der tatsächlich gefahrenen Strecke abhängt, ob ein Kurzstreckentarif zur Anwendung kommt. Beispielsweise hast du in Frankfurt in vielen Fällen eine Option zwischen Tram und S-Bahn oder einer Kombination aus beidem. Hier ist es nicht von einer Start- Zielrelation abhängig, ob ein Kurzstreckenticket gültig ist, sondern von der gewählten Fahrtvariante. Somit könnte die Verbindungsauskunft nur bei Kenntnis des Verkehrsmittels und der Fahrtstrecke zuverlässige Auskünfte geben.

    Diese Auskunft strotzt nur so vor Fehlern und Ungereimtheiten. Gucken wir kurz in die Tarifbestimmungen, Paragraph 3.3.1 c):

    Kurzstreckenfahrkarten für Erwachsene und Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren (einschließlich) auch für tarifgrenzüberschreitende Kurzstreckenfahrten zu Regelfahrpreisen. Sie berechtigen zu einer Fahrt zu jeweils einem der an der jeweiligen Starthaltestelle ausgewiesenen Kurzstreckenziele (inklusive Umsteigens, falls dies erforderlich ist) im Rahmen der definierten Kurzstreckenlänge.

    … und dann in die Preisliste des RMV [pdf], einer Tabelle, in der „Kurstrecke“ in drei verschiedenen Varianten definiert ist: „K1; 1.000 m“, in Preisstufe 1 (also in Frankfurt nicht interessant), „K4; 1.500 m“ in Preisstufen 2 [Offenbach] und 13 [Mainz/Wiesbaden] sowie „K2: 2.000 m auch tarifgrenzüberschreitend“ in Preisstufe „3 Tarifgebiet 5000 Frankfurt am Main“.

    In Frankfurt ist also die „definierte Kurzstreckenlänge“ gemäß Tarifbedingungen 2.000 Meter. Es gibt keine Abhängigkeit von den Verkehrsmitteln (nur von der gefahrenen Strecke). Auch, und das ist insbesondere ein Problem, kann man an den Haltestellen gar nicht sehen, welchen Weg man denn nun nehmen darf mit der Kurzstreckenkarte, denn an den Haltestellen hängen ja eben gerade die Ziele aus, ohne Zusatz, wie man fahren darf. Dass ich immer den direktesten Weg nehmen muss, ist sowieso klar.

    Es geht aber noch weiter: In der Online-Verbindungsauskunft wird mir für jede Fahrtvariante ein eigener Preis genannt. Hier ist der Preis also sehr wohl an die genaue tatsächlich gefahrene Strecke und sogar die Verkehrsmittelwahl gebunden. „Eine Darstellung in der Verbindungsauskunft, welche Haltestellen zum Kurzstreckentarif erreichbar sind, wäre“ also in der Tat wirklich exakt. Ich habe also per Mail zurückgefragt:

    vielen Dank für eure Recherche. Zwei Fragen wirft eure Antwort aber auf:

    1. An den Haltestellen in Frankfurt hängen schon „immer“ Listen mit den Kurzstreckenzielen. Verstehe ich eure Antwort richtig, dass ich mich nicht darauf verlassen kann, dass ich zu diesen Zielen mit einer Kurzstreckenkarte fahren kann?
    2. In der Verbindungsauskunft bei RMV.de wird mir ein eigener Preis für jede spezielle Verbindung angegeben. Hier ist die tatsächliche Verbindung inklusive aller Unterwegshaltestellen und aller dabei benutzten Verkehrsmittel klar. Trotzdem wird „nie“ (d.h., nie bei meiner zugegebenermaßen recht begrenzten Stichprobe von sehr kurzen Verbindungen wie Frankfurt-Nordwestzentrum → Frankfurt Bernadottestraße) der Kurzstreckenpreis unter der Spalte „Tarif“ angegeben. Warum?

    Mittlerweile habe ich noch herausgefunden, dass ich unter „Tarifauskunft“ auf der RMV-Homepage sehr wohl fahrtwegunabhängig eine Auskunft darüber bekomme, dass die Relation Bockenheimer Warte → Hauptwache Kurzstrecke ist (ebenso Nordwestzentrum → Bernadottestraße). Also, genau an der Stelle, an der es laut dem angeblichen Problem mit der genauen Verbindung und so nicht gehen dürfte, geht es doch, und an der Stelle, an der das Argument nicht greifen würde (wenn es denn richtig wäre), geht es nicht. Und die Antworten, die man vom Twitter-Team bei RMV bekommt, sind falsch und unsinnig.

    Ich lasse jetzt mal weg, dass wenn man in der Tarifauskunft statt „Einzelfahrt“ „Einzelfahrt ohne Umweg“ anklickt, es auf einmal keine Kurzstreckenkarte mehr gibt, denn das hat ja nun nichts mehr mit dem Twitter-Team zu tun. Meine Rückfrage-E-Mail habe ich übrigens vor 2½ Arbeitstagen gestellt und noch keine Antwort erhalten.

    Und auch das war noch nicht alles. Aber das rumgeeiere auf die Frage, warum alle Provinzverkehrsmeldungen des NVV bei RMVInfo auftauchen, nicht aber auch die Meldungen der anderen benachbarten Verkehrverbünde, muss hier nicht auch noch lang und breit besprochen werden, auch wenn diese neuerliche Merkwürdigkeit einer der Auslöser für diesen viel zu langen Blogpost waren.

    Allerdings habe ich mir das beste, im Wortsinne, zum Schluss aufgehoben: Als ich von Frankfurt-Louisa nach Darmstadt-Wixhausen fahren wollte, hat mir RMVdialog wirklich mal geholfen, als sie mir erklärt hatten, dass der Grund, warum ich keine BahnCard-Ermäßigung in der S-Bahn haben kann, ist, dass es diese erst bei teureren Fahrkarten der Preisstufe 5 und größer gibt.

    Corporate Twitter wird also sehr unterschiedlich gehandhabt, und meine Erfahrungen damit sind ebenfalls stark unterschiedlich. In keinem Fall würde ich aber gerne den schlechten Service durch gar keinen Service ersetzt haben wollen. Vielleicht muss ich ja auch lernen, nicht überall gute Antworten zu erwarten und auch mal eine himmelschreiend falsche Antwort unkommentiert zu lassen (und zwar vor dem 20. Versuch). Mal sehen.

  • Echte Bücher Zwischendurch

    Original-Post

    Immer mal wieder drückt mir jemand mal ein Buch in die Hand mit der Aufforderung, das müsse ich mal lesen. Ende 2012 bekam ich so gleich drei Bücher, zwei im weitesten Sinne über Sexualität, eines über Mathematik und den freien Willen und konnte daher nicht mit den e-Books weitermachen.

    Empfehlungsgemäß begann ich mit Sex at Dawn: The Prehistoric Origins of Modern Sexuality von Christopher Ryan und Cadilda Jethá. Ich mochte den Stil des Buches gar nicht – die Autoren verwenden viel zu viel Zeit darauf, zu sagen, dass das Standardbild menschlicher Sexualität (Monogamie, oder wenigstens serielle Monogamie (also immer nur einen Partner gleichzeitig, aber der kann im Laufe der Zeit wechseln), oder vielleicht Polygame Männchen zu Monogamen Weibchen) falsch ist, und warum die anderen Forscher alle Fehler machen, und viel zu wenig Zeit damit, ihren eigenen Punkt zu machen und ihre eigene Hypothese aufzustellen: Dass wir nicht „wie die Tiere“ sind, wenn wir viel Sex haben, sondern viel mehr gerade das die Menschen ausmacht. Sex als soziales Instrument, nicht zur Fortpflanzung. Dabei sind viele Punkte, die sie machen, gut, nachdenkenswert, für mich neu, provokant. Aber dann kommt immer wieder dieses „aber die anderen machen ständig Denkfehler“. Leider nervig, aber eigentlich gut. Leitthema: Sexualität ist natürlich, normal, gut, und viel mehr als Fortpflanzungsmittel.

    Einen starken Gegenentwurf hatte ich dann mit „Elementarteilchen“ von Michel Houellebecq, einem Roman, der den Lebensweg zweier Halbbrüder nachzeichnet, die eine Hippie-Mutter haben, was beider Leben versaut hat. Beide kriegen es nicht hin, ein sinnvolles Verhältnis zu Frauen oder ihrer eigenen Sexualität aufzubauen, und am Ende extrapoliert Houellebecq ins Jahr 2070, in der sich die Gesellschaft durch die Erfindung des Klonens durch einen der beiden Brüder radikal verändert hat. Ein Leitthema in dem Buch ist, dass freier Sex schlecht ist – wenigstens verstehe ich das Buch so. Einem der beiden Protagonisten legt der Autor den Gedanken in den Mund, dass Kinderschänder und Satanisten eine logische Folge der Sexuellen Revolution sind. Würde ich nicht nochmal lesen.

    Wirklich anstrengend, aber extrem lohnend war dann die Lektüre von „Gödel, Escher, Bach: an Eternal Golden Braid“ von Douglas Hofstadter. Hofstadter ist theoretischer Physiker, der sich in diesem Buch von 1979 vor allem mit künstlicher Intelligenz auseinandersetzt. Dabei verbindet er die Musik von Bach mit den Bildern von Escher (das sind zum Beispiel diese Bilder von physikalisch unmöglichen Anordnungen) und beides mit dem Unvollständigkeitssatz von Gödel, einem Mathematiker, der in den 1930er Jahren entdeckt hat, dass es in jeder hinreichend umfangreichen mathematischen Theorie Aussagen geben muss, bei denen man nicht entscheiden kann, ob sie richtig sind – man kann also immer ein Äquivalent der Aussage „Dieser Satz ist falsch“ finden.

    Hofstadter führt dazu recht ausführlich in die Zahlentheorie ein, um den Satz zu motivieren, und schwenkt dann in Richtung Intelligenz und vor allem künstliche Intelligenz. Zwischen den Kapiteln streut er Dialoge, die meisten zwischen Achilles und der Schildkröte, ein, in denen er spielerisch die Konzepte aus dem Sachteil einführt, wiederholt, hervorhebt. Einige dieser Dialoge sind dabei Musikstücken von Bach nachempfunden: So gibt es einen Dialog, er wie ein Spiegelkanon aufgebaut ist, in dem beide Figuren die gleichen Sachen sagen, nur fängt die Schildkröte damit bei der letzten Aussage von Achilles (und umgekehrt) an. Der Effekt ist erstaunlich. Ein ander Mal erzählt er eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte, kommt aber zu der urprünglichsten Geschichte nicht wieder zurück – damit demonstriert er, wie es ist, wenn ein Musikstück nicht wieder zur ursprünglichen Grundtonart zurückkehrt. Eines Tages wandern die Figuren durch Gemälde von Escher, und einmal treffen sie sich mit der Krabbe und dem Ameisenbär, um ein Vorspiel und eine Fuge von Bach anzuhören. Hier schafft Hofstadter es, die Musikstücke von den Figuren beschreiben zu lassen, man liest also, was gerade in der Musik geschieht, und die vier Gesprächsteilnehmer machen genau das, was die Stimmen in der Fuge tun – Hofstadter schreibt also eine Dialogfuge. Nun habe ich nicht so viel Überblick über Fugen, daher bin ich mir sicher, dass ich vieles von den versteckten Tricks nicht bemerkt habe, trotzdem war es unwahrscheinlich erhellend, auch nur das Oberflächliche von Hofstadter’s Kunst zu entdecken.

    Viele Gedanken, die sich Hofstadter Ende der 1970er Jahre gemacht hat, finde ich auch heute noch komplett richtig – was ich aufgrund des enormen Fortschrittes der Computertechnik seit damals keinesfalls für selbstverständlich halte (immerhin geht es viel um Computer). Zwei Sachen sind mir aber als anachronistisch aufgefallen: Die Paper von Turing, mit denen er die moderne Computertheorie begründet hat, sind für ihn zwar auch „alt“ – bei ihm sind das aber dreißig Jahre. Für mich sind Turing’s Arbeiten in Stein gemeißelt und altertümlich. Das zweite: Hofstadter schreibt, dass wenn ein Computer besser als alle Menschen Schach spielen lernen könnte, wäre die große Herausforderung noch, ihn zum Schachspielen zu überreden, denn das ginge nur mit einer ausgewachsenen Intelligenz und einem „eigenen Willen“. Bei XKCD kann man gut sehen, dass er damit unrecht hatte: „Normale“, nicht-intelligente Computer konnten 1996 das erste Mal den besten Menschen im Schach schlagen, und 2005 hat das letzte Mal ein Mensch gegen den besten Schachcomputer gewinnen können.

    Diese Fehleinschätzung der Komplexität von Schach schmälert aber weder das Buch noch seine anderen Thesen. Gödel, Escher, Bach ist für Menschen, die sich in Mathematik und Mathematischen Denkweisen nicht wohlfühlen, wahrscheinlich ungeeignet, was ich sehr schade finde. Ich selbst bin über manche technischen Dinge hinweggegangen, weil ich lieber wissen wollte, wie es damit dann weitergeht, als was die genauen Details sind, aber natürlich weiß ich, dass ich als theoretischer Physiker es wesentlich leichter habe, den restlichen Teil zu verstehen als der Durchschnittsmensch. Wie gesagt, schade, denn es sind so viele tolle Gedanken in dem Buch, dass ich es eigentlich jedem gerne empfehlen würde.

    Seit Gödel, Escher, Bach lese ich wieder auf dem kindle. Nach Life on the Mississippi von Twain habe ich alle Klassiker durch, mal sehen, ob ich dann auch mal ein eBook kaufe.

  • Englischsprachig

    Original-Post

    Ich wandte mich nach Goethe, Melville und Huxley dann alten amerikanischen und englischen Autoren zu, und zwar gemischt Charles Dickens, Oscar Wilde und Mark Twain. Ich habe dazu bei gutenberg.org nach den Autoren gesucht und relativ wahllos eBooks runtergeladen, ohne darauf zu gucken, was das für Bücher sind. In welcher Reihenfolge ich die Bücher gelesen habe, weiß ich nicht mehr, also fange ich mal mit Oscar Wilde an.

    Oscar Wilde

    Von Oscar Wilde kannte ich schon einiges – The Picture of Dorian Gray hatte ich direkt nach 1984 für den Englisch-Grundkurs in der Oberstufe gelesen, und andere Bücher hatte ich nebenbei mal gelesen. In der Tat sprühen die fiktionalen Bücher vor Witz, und so hat mit „An Ideal Husband“, „The Canterville Ghost“, „The Happy Prince“, „The Nightinggale and the Rose“, „The Selfish Giant“, „The Devoted Friend“ und „The Remarkable Rocket“ viel Spaß gemacht, ohne dass viel dabei hängen geblieben wäre. Gleiches kann ich aber nicht von „The Soul of Man under Socialism“ sagen.

    Dieses Werk ist ein Aufsatz über eine Gesellschaft, in der niemand mehr arbeiten muss, weil alles von Maschinen erledigt wird. Jeder Mensch könne sich dadurch voll und ganz seiner Kunst widmen – wobei Kunst für Wilde da aufhört, wo man irgend etwas macht, um damit anderen zu gefallen. Hier fängt für ihn Unterhaltung an. Ich fand diesen Gedanken sehr schön und lesenswert.

    Als letztes hatte ich mir „Intentions“ aufgehoben. Das besteht aus einem kurzen Dialog, der eigentlich auch aus einem langen Essay über Natur, Kunst und ihr Zusammenspiel aufgebaut ist, und dann tatsächliche Aufsätze. Die ich aber nicht mehr gelesen habe, weil ich es etwas ermüdend fand.

    Charles Dickens

    Von Dickens kannte ich viele Titel und wenig Inhalt. Eigentlich nur die Weihnachtsgeschichte, „A Christmas Carol“, in dem der böse, erzkapitalistische Scrooge von den drei Geistern der vergangenen, der aktuellen und der zukünftigen Weihnachtsfeiern das Herz ein wenig aufgeweicht wird. Ansonsten kannte ich die Namen „Oliver Twist“ und „David Copperfield“. „Great Expectations“ – also ‚Große Erwartungen‘ – bin ich komplett ohne Erwartungen entgegengetreten, aber am Ende war es eh wieder die gleiche Geschichte wie die beiden anderen: Kleiner, armer Junge schlägt sich durch sein Leben und irgendwer will ihm auch mal was Böses.

    Lediglich „A Tale of Two Cities“ bricht daraus ein klein wenig aus, erzählt sie doch die Geschichte von Erwachsenen, die zwischen London und Paris hin- und herpendeln und dabei in die Wirren der französischen Revolution geraten. Lerneffekt dabei: Dickens scheint die Revolutionäre aus tiefstem Herzen zu hassen.

    Mark Twain

    Die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn habe ich schon in der Grundschule gelesen, und in der fünften Klasse war ich in der Theater-AG und habe den Drunkenbold Muff Potter gespielt. Aber wirklich erinnern konnte ich mich nicht, also höchste Zeit zum wiederlesen. Beide Bücher habe ich sehr gerne gelesen, und bei Huckleberry Finn Bauklötze gestaunt: Twains Buch gilt laut Wikipedia trotz der Benutzung der Wörter „Nigger“ und „Negro“ als recht emanzipiert, und dann gibt es gegen Ende einen Dialog, in der ein Junge die Ausrede für seine Verspätung erfindet, an seinem Schiff sei der Kessel explodiert. Ein Neger sei dabei gestorben. „So ein Glück“, antwortet die Erwachsene, der das erzählt wurde, „ist da keine Person zu Schaden gekommen, das ist ja ganz schnell mal passiert.“

    Dann gab’s da noch „The Innocents Abroad“, in dem Twain von seiner Kreuzfahrt von New York durch das Mittelmeer ins geheiligte Land und zurück erzählt. Von Wikipedia weiß ich mittlerweile, dass es als der meistverkaufte Reiseführer aller Zeiten gilt, und es ist auch wirklich gut geschrieben. Leider ist mir der Schwerpunkt auf Israel und die dortigen Erlebnisse etwas zu groß, aber ansonsten gibt es einen schönen Blick auf das Europa Mitte des 19. Jahrhunderts.

    Viele Déjà-vus hatte ich beim Lesen von „A Conneticut Yankee in King Arthur’s Court“, das von einem Menschen erzählt, der durch Magie in das Jahr 620 nach England versetzt wird, zufällig weiß, das am nächsten Tag eine Sonnenfinsternis stattfinden soll und so einen hohen Stellenwert bei König Arthur bekommt, als Magier. Blöderweise konspiriert Merlin mit der Kirche, um ihn zu stürzen, und er fällt unter Merlins Zauber, schläft dreizehnhundert Jahre und wacht wieder auf, um seine Aufzeichnungen, die er gemacht hatte, an den Autoren weiterzugeben, bevor er stirbt. Auch das: ein gutes Buch.

    The Prince and the Pauper ist ein Buch, von dem ich wegen des allgemeinen Settings – kleiner armer Junge in England – erst dachte, es sei von Dickens, aber nein: Die Geschichte von dem ungewollten Tausch zwischen Prinz Edward und dem Bettler Tom Canty ist von Twain geschrieben und daher auch wesentlich leichter und lustiger.

    Noch nicht ganz fertig bin ich mit Life on the Mississippi, einem Sachbuch, bei dem Twain aber auch viel von seiner persönlichen Erfahrung als Steuermann auf dem großen Amerikanischen Fluss erzählt.

    Damit habe ich unter anderem so lange gebraucht, weil ich zwischendurch auch noch Dinge von Papier gelesen habe.