Mit der Geburt von Kevin-Alf am Horizont habe ich in den letzten Monaten von 2016 sehr intensiv daran gearbeitet, meine bezahlte Arbeit in einem guten Zustand an meinen Nachfolger übergeben zu können. Dadurch bin ich kaum mehr dazu gekommen, viel zu lesen.
Dass ich seit Mitte des Jahres jeden Tag die Tageszeitung, die ich auf meinen eBook-Reader bekomme, lesen will, hat dann auch nicht mehr funktioniert. An Weihnachten hatte ich zwei Monate Rückstand. Das Kind im Arm halten ist allerdings eine Tätigkeit, die wenig direkte Aufmerksamkeit erfordert (erst langsam fängt er an, dabei rumzugucken und damit auch die Aufmerksamkeit von Papa – oder Mama – zu fesseln) und wenig andere Sachen erlaubt, also komme ich richtig viel zum Lesen.
Neben dem Rückstand an Zeitungen habe ich das Buch Catch-22 von Joseph Heller gelesen. Die Geschichte des US-Amerikanischen Bombenschützens Yossarian während seiner Stationierung auf der Italienischen Insel Pianosa gegen Ende des (europäischen Teils des) zweiten Weltkrieges ist nicht chronologisch erzählt und es braucht ein wenig, bis man sich in dem Wust der Handlungsstränge wirklich zurecht findet und Rückblenden auch als solche erkennt. Yossarian will keine Kampfmissionen mehr fliegen und will sich daher für verrückt erklären lassen. Das Problem ist der paradoxe Catch-22: Nur zurechnungsfähige Menschen dürfen in Kampfmissionen eingesetzt werden. Wer sich aber aus der berechtigten Angst vor den Missionen als geisteskrank anerkennen lassen will, zeigt damit, dass er absolut zurechnungsfähig ist, denn nur geisteskranke Menschen würden sich einer solchen Gefahr wieder und wieder aussetzen. Sobald man also auf seinen Zustand hinweist, beweist man, dass man noch kampftauglich ist. Und solange sich der Verrückte nicht beschwert, muss man ihn ja auch nicht aus den Kampfhandlungen zurückrufen.
Das Buch ist eine Satire auf das Militär, es zeichnet ein durchaus witziges Bild der Fliegerstaffel, der Yossarian angehört, seiner Vorgesetzten, der Umgebung, der Besatzung und der Kämpfe, aber auch von Gott, Gottesglauben, Militärzensur, Kapitalismus, und nicht zuletzt Prostitution und Moral. Im letzten Drittel wird das Buch immer düsterer und immer weniger lustig; Brutalität ist eben ein inhärenter Bestandteil von Krieg. Gegen Ende war ich zwiegespalten: Würden etwa alle sterben? Aber ein Happy End würde dem Buch nicht passen. Statt dessen gibt es weder ein Happy End noch ein Sad End, sondern ein hoffnungsvolles, Aufbruchs-Ende. Ein befreiendes Ende, was alle meine Erwartungen übertroffen hat.
Das Buch empfehle ich jedem, der gewillt ist, sich erst in ein Buch hineinfinden zu müssen; mir ist es auf jeden Fall hier leichter gefallen als bei Ulysses.