Wahlrecht

Original-Post

(Kurz am Anfang: Eigentlich wollte ich schon längst mal wieder was schreiben, komm aber nicht dazu. Mist.)

Ich kann nicht sagen, dass mir das Ergebnis der Landtagswahl in Niedersachsen am letzten Sonntag nicht gefallen hätte — meine Partei hat ihr bestes Ergebnis dort jemals gehört, die Wunschkoalition meiner Partei hat mit 1.654.892 Stimmen 12.373 Stimmen mehr geholt als die anderen zukünftig im Landtag vertretenen Parteien (die gleichzeitig vorher die Regierung gestellt hatten) zusammen (1.642.519 Stimmen). Außerdem ist die NPD von 1,5% auf 0,8% gerutscht, was sie aus der Gruppe der staatlich geförderten Parteien rauskatapultiert. (Die Zahlen wurden am 26. Februar korrigiert, um statt des vorläufigen das endgültige Amtlichen Endergebnis, zitiert von wahlrecht.de, wiederzuspiegeln.)

Allerdings war es knapp; wesentlich knapper als die 12.373 Stimmen. Und das hat mit dem Wahlrecht und der Sitzverteilung zu tun. Einerseits das Reststimmen-Verfahren (also das Verfahren, wie die letzten Stimmen verteilt werden). In Niedersachsen geht das nach dem d’Hondt-Verfahren, das kleine Parteien tendentiell benachteiligt. In diesem Fall hat dieses Verfahren die FDP zugunsten der SPD benachteiligt und damit der alten Koalition einen Sitz — den entscheidenden — gekostet.

Wirklich: mit dem eigentlich gerechteren Verfahren hätten CDU und FDP regieren können, obwohl sie weniger Stimmen als SPD und Grüne gehabt hätten. Uff. Es hätte noch schlimmer kommen können: Wie bei Wahlrecht.de gut dargestellt, hätte der Unterschied noch viel extremer sein können, wenn mehr Leute in der Zweitstimme FDP statt CDU gewählt hätten. Wir reden hier also von einem Fall, wo der Unterschied zwischen den Lagern gleichgeblieben werden, nur innerhalb der alten Koalition verschieben wir Stimmen. Der Trick ist, dass die CDU durch ihre Wahlkreissiege 54 Abgeordnete sicher hat und der Rest ausgeglichen wird — und zwar ungefähr proportional zwischen den anderen Parteien, natürlich inklusive der FDP.

Soweit die Problembeschreibung; ich hoffe, ich habe das richtig dargestellt. Warum schreibe ich das jetzt aber alles? Ich habe eine Idee, wie man trotz Wahlkreissiegern auf Überhang- und Ausgleichsmandate verzichten kann: Man verzichtet darauf, jedem Wahlkreissieger ein Mandat zu garantieren. Das ist recht radikal, hat als zusätzliches Problem, dass es mit der 5-%-Hürde kollidiert und ist mit Sicherheit nicht gut durchdacht, aber mal als grobe Idee:

  1. Der Proporz in den Parlamenten richtet sich ausschließlich nach den Zweitstimmen.
  2. Sollte eine Partei mehr Wahlkreise gewonnen haben, als ihr nach den Zweitstimmen zustehen, ziehen diejenigen Abgeordneten in das Parlament ein, die (parteiintern) den höchsten Stimmanteil in ihrem Wahlbezirk geholt haben; die nichtberücksichtigen Wahlkreissieger sind die ersten Nachrücker, erst danach wird von den Listen nachgerückt. Am sinnvollsten fände ich, den höchsten Anteil der Stimmen pro Wahlberechtigten statt pro tatsächlichen Wählerinnen zu nehmen, aber das ist sowieso für mich ein offenes Problem.

Wenn man nur diese beiden Punkte nimmt, schafft man die Möglichkeit ab, dass ein einzelner Abgeordneter einer Partei, die weniger als 5% bekommen hat, in das Parlament einziehen kann, denn die Sitze wurden ja einzig nach den Zweitstimmen — unter Einbeziehung einer Sperrklausel, egal wie hoch die ist — verteilt.

Ich habe keine Ahnung, ob man dieses Problem sinnvoll und vor allem konsistent lösen kann, und am Ende hat man durch Koalitionsbildung immer noch Ungerechtigkeiten (wie man es in Niedersachsen gehabt hätte, wäre Hare/Niemayer angewendet worden). Aber das würde diese Leihstimmen-Sache wenigstens abmildern.

Komplett verrückter Vorschlag? Ich freue mich auf Kommentare. (In der Original-Version des Posts stand hier, dass ich keine Kommentare annehmen kann; durch den Umzug des Blogs in 2016 ist dies hinfällig.)


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